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Leseproben

Sprachrohr

    Meine Aufgabe bei diesem Beispieltext war:
    Nimm die Informationen, die Du von uns bekommst, und verpacke sie in einen Artikel.

    Der Artikel ist in der Kolumne Digitaler Dienstag im Newsletter des Blinden- und Sehbehindertenverbands Österreich (BSVÖ) im Februar 2022 erschienen.

    Hürden im Web: Verkehrte Welt oder vertrauter Alltag?

    Sie öffnen eine Seite im Internet und sehen: nichts. Kommt Ihnen das bekannt vor? Wenn nicht, zählen Sie zu den Glücklichen, deren Wahrnehmungsmöglichkeiten üblicherweise bei der Gestaltung von Webseiten berücksichtigt werden. Alle anderen werden tagtäglich durch unnötige Fehler be-hindert. Welche der FFG zufolge die häufigsten sind, wollen wir Ihnen heute anhand einiger Beispiele faschingsgerecht näherbringen.

    Wenn Sie sich jetzt auf einen Artikel mit Spaßfaktor freuen, müssen wir Sie leider enttäuschen, denn ulkig ist das Thema weiß Gott nicht. So weit, das zu behaupten, würden vermutlich auch diejenigen nicht gehen, die hauptverantwortlich dafür sind, dass es an Aktualität nicht verliert. Wie bitter ernst es tatsächlich ist, zu Dingen, die für Menschen ohne Behinderungen vollkommen selbstverständlich sind, mit fast derselben Selbstverständlichkeit keinen Zugang zu haben, und dann womöglich auch noch als lästig abgestempelt zu werden, wenn man ihn einfordert, scheint vielen aber auch nicht klar zu sein. Mit ausgelassenem Feiern und überschwänglich guter Laune hat das Ganze also rein gar nichts zu tun. Streng genommen ist er ja – allen Vorurteilen zum Trotz – heuer auch nicht einmal im Februar, der Fasching. Und trotzdem machen wir ihn uns zunutze: Wir nehmen ihn als Inspiration, in andere Rollen zu schlüpfen und die Welt, wie wir sie kennen, auf den Kopf zu stellen. Stellen Sie sich einmal vor …

    … die Bilder sind weg

    Das erschreckt Sie nicht? Dann wagen wir uns an ein Beispiel: In den letzten Jahren ist das richtige gründliche Händewaschen ein großes Thema geworden. Gewissenhaft, wie Sie sind, möchten Sie sich ganz genau darüber informieren. Sie begeben sich also im Internet auf die Suche nach einer Schritt für Schritt Anleitung. Sie werden fündig. Doch was ist denn das? Alles, was Sie auf der Seite finden, ist der Text „Schritt 1“ und daneben ein weiterer Textfetzen „right-pointing-arrow“. Und, alles klar mit dem Händewaschen? Wohl eher nicht.

    „Gut, mit der Seite stimmt irgendwas nicht,“ werden Sie sich wahrscheinlich denken, und das nächste Suchergebnis aufrufen. Doch das sieht auch nicht viel besser aus. Das nächste auch nicht. Und beim übernächsten ist die Seite überhaupt leer. Spätestens jetzt werden Sie sich wahrscheinlich denken, da stimmt ganz gewaltig etwas nicht – mit dem Internet, mit Ihrem Computer, mit was auch immer. Je nach Typ und Stimmung werden Sie nun vielleicht Ihrem Laptop gut zureden, eine geharnischte E-Mail an Ihren Internetanbieter verfassen oder das Kastl fluchend zuklappen und nach eigenem Gutdünken Händewaschen gehen. Vielleicht rufen Sie eine Freundin an und klagen ihr Ihr Leid – mit der Sicherheit, dass sie ebenso empört sein wird wie Sie, denn das ist doch wirklich ein Witz! Auf jeden Fall werden Sie davon ausgehen, dass hoffentlich nach einmal drüber Schlafen alles wieder gut ist und es nur eine vorrübergehende Störung war. Außer …

    Ja, außer Sie arbeiten am Computer mit dem Screenreader. Dann kennen Sie solche Situationen zur Genüge. Sie wissen, dass ein Bild nicht allen mehr als tausend Worte sagt. Ihnen ist klar, dass Sie auch, wenn mit Ihren Geräten und der Internetverbindung alles in bester Ordnung ist, damit rechnen müssen, dass Ihnen wichtige Inhalte einer Webseite komplett verborgen bleiben. Vielleicht haben Sie auch die Erfahrung gemacht, dass Ihre Beschwerde beim Anbieter mit einem „Wir bemühen uns eh, aber Sie müssen schon verstehen, dass es viele Wünsche gibt und wir nicht alle erfüllen können!“ beantwortet wird oder womöglich sogar Ihr Unmut bei der Freundin, bei der Sie sich ausschleimen wollen, auf wenig Verständnis stößt.

    Die WCAG, das sind die technischen Richtlinien für digitale Barrierefreiheit, nennen dieses weit verbreitete Problem beim Namen und bieten auch eine Lösung. Dort heißt es „Stellen Sie Textalternativen für alle Nicht-Text-Inhalte zur Verfügung.“ So einfach wäre es: Bilder mit einem Alternativtext versehen, der im jeweiligen Zusammenhang Sinn ergibt, und schon bliebe uns viel Frust erspart. Aber schauen wir uns ein weiteres Szenario an. Nehmen wir einmal an …

    … es herrscht Chaos

    Die Sache mit dem Händewaschen lässt Ihnen keine Ruhe. Sie probieren es also am nächsten Tag frühmorgens erneut: Computer an, Browser geöffnet, Suchbegriff eingegeben. Sie öffnen eine vorgeschlagene Seite und sind zuversichtlich, denn da ist Text. Viel Text. Kreuz und quer, von oben nach unten und rechts nach links. Wörter fliegen durch die Gegend, Absätze hängen willkürlich auf dem Bildschirm herum. Das war’s dann mit der guten Laune. „Zum Glück brauch‘ ich das Zähneputzen nicht mehr googeln,“ denken Sie sich und begeben sich ins Bad.

    So absurd dieses Szenario in Zeiten von ausgeklügelten und stylishen Weblayouts klingen mag: Für Nutzerinnen und Nutzer von Screenreadern ist auch das durchaus Alltag. „Informationen und Strukturen auf Websites beziehungsweise Beziehungen zwischen Elementen auf Websites sollen nicht nur visuell verständlich sein, sondern auch programmatisch richtig ausgezeichnet werden und bestimmt werden können,“ erklärt die FFG das Erfolgskriterium „Information, Struktur und Beziehungen der Präsentation“ der WCAG. Egal, wie übersichtlich und klar strukturiert eine Webseite mit verschiedenen Bereichen und unterschiedlich gestalteten Überschriften graphisch sein mag – wenn diese Struktur für den Screenreader nicht erkennbar ist, ist man als Nutzer:in desselben verloren.

    Aber auch für diejenigen, die den Bildschirm sehen, gibt es Webseiten, bei denen man den Eindruck hat …

    … es herrscht Leere

    Beim nächsten Versuch – Sie sind ja hartnäckig – haben Sie eine Seite gefunden, die so sauber ist wie Ihre Hände es mittlerweile wären, wenn Sie den bisherigen Seiten irgendwelche Informationen hätten entnehmen können: blitzblank.

    Damit sind wir jetzt bei einem Beispiel, das nicht einmal für Menschen ohne Sehbehinderung besonders viel Vorstellungskraft braucht. Diese Art von graphischer Gestaltung, die sich für besonders elegant hält, indem sehr zarte, sehr helle Schrift verwendet wird, kommt durchaus häufig vor. Natürlich ist das Spektrum zwischen „keine Chance, irgendetwas zu erkennen“ und „geht schon irgendwie bei guten Lichtverhältnissen“ je nach individuellen Voraussetzungen ein breites. Aber wenn wir uns am Prinzip des Universellen Gestaltens orientieren, das niemand geringerer als die UN Behindertenrechtskonvention vorgibt, muss ein Angebot Menschen mit unterschiedlichsten individuellen Möglichkeiten und Voraussetzungen gerecht werden. Daher haben die WCAG absolut Recht, wenn sie sagen „Machen Sie es Benutzer:innen leichter, Inhalt zu sehen und zu hören,“ und dabei einen gewissen Mindestkontrast zwischen Text und Hintergrund vorgeben.

    Gehen wir aber weiter in unserem Beispiel – und spätestens jetzt wird es gefährlich: Stellen Sie sich vor …

    … Sie sagen „Ja“ ins Blaue hinein

    Beim vierten Anlauf haben Sie es nun endlich geschafft: Auf dem Bildschirm erscheint eine wunderschöne, übersichtliche Auflistung von fünf Schritten, die Sie nach allen Regeln der Kunst in die Geheimnisse des Händewaschens einweihen würde. Wäre da nicht die Schaltfläche „Bestätigen“, hinter der die Seite nur ganz blass sichtbar ist. Aber was sollen Sie bestätigen? Werden Sie hier nur gefragt, ob Sie sicher sind, dass Sie sich diese Informationen zum Händewaschen wirklich zumuten wollen? Sollen Sie einwilligen, dass Sie im Gegenzug ein lebenslanges kostenpflichtiges Desinfektionsmittel-Abo bestellen? Oder wird Ihnen gar ein Pakt mit dem Teufel angeboten? Vielleicht haben Sie aber auch so viel Vertrauen, dass das Internet es prinzipiell nur gut mit Ihnen meint, dass Sie auf gut Glück gerne bestätigen würden – das Problem: die Schaltfläche lässt sich nicht bedienen.

    Zugegeben, im Zusammenhang mit unserem Beispiel der Händewaschanleitung erscheint dieses Problem vielleicht nicht so gravierend. So dringend wird das Verlangen nach der Information in dem Fall wahrscheinlich auch wieder nicht sein. Aber stellen Sie sich einmal vor, etwas ähnliches passiert Ihnen beim Einkauf im Webshop ihres – ab dem Moment vermutlich nicht mehr so großen – Vertrauens oder gar im Online-Banking, auf das Sie für Ihre alltäglichen Geldgeschäfte angewiesen sind. Da hört sich der Spaß auf, oder?

    Für alle, die das Internet in erster Linie gut sehend und mit der Maus oder dem Touchpad als Eingabegerät nutzen, kommen solche Probleme in Wirklichkeit relativ selten vor. Wenn doch, ist für alle – Nutzer:innen wie Betreiber:innen – klar, dass das ein No-Go ist und so schnell wie möglich behoben werden muss, wenn man seine Kund:innen nicht verlieren und einen Skandal vermeiden möchte. Dass beispielsweise der Zweck einer Schaltfläche mit dem Screenreader nicht erkennbar ist oder sie mit der Computertastatur nicht angesteuert und aktiviert werden kann, kommt hingegen ziemlich häufig vor. Die FFG hat beobachtet, dass dem Erfolgskriterium „Name, Rolle, Wert“ der WCAG, bei dem es um dieses Thema geht, oft nicht entsprochen wird. Der Aufruhr in solchen Fällen ist unserer Erfahrung nach vergleichsweise gering.

    Nach diesem Punkt hört es sich ja fast harmlos an, wenn wir feststellen müssen …

    … am Namensschild fehlt der Name

    Soll heißen: Eine Webseite wird mit einem wenig aussagekräftigen „Startseite“ oder „Herzlich willkommen!“ betitelt. Solange nur eine Seite offen ist, bei der man vielleicht auch bereits weiß, um welche es sich handelt, mag das tatsächlich nicht so tragisch sein. Aber ab dem Moment, wo man z.B. von einer Seite auf eine andere weitergeleitet wird oder mehrere Seiten gleichzeitig im Browser geöffnet hat, kann es schnell passieren, dass man den Überblick zwischen den ganzen „Startseiten“ verliert und sich zwar sehr herzlich willkommen fühlt, aber die Orientierung verliert. Um solche Situationen zu vermeiden, zählen die WCAG Titel von Webseiten, aber auch zum Beispiel von PDFs, zu jenen Mitteln, die Benutzer:innen dabei „unterstützen zu navigieren, Inhalte zu finden und zu bestimmen, wo sie sich befinden.“

    Zu guter Letzt beglücken wir Sie noch mit etwas Kauderwelsch. Nehmen wir an …

    … ine text weird so gashreebn

    Was, das haben Sie jetzt nicht verstanden? Nun, gemeint war: „ein Text wird so geschrieben“ – aber statt der im Deutschen üblichen haben wir eine englische Schreibweise gewählt. So oder so ähnlich hört es sich für Screenreader-Nutzer:innen an, wenn bei einer deutschsprachigen Webseite die Sprache im Code als Englisch angegeben wird. Der deutsche Text wird dann mit englischer Aussprache gelesen. Um so etwas zu vermeiden und damit die Inhalte auf Webseiten durchwegs lesbar und verständlich sind, sehen die WCAG vor, dass nicht nur der Webseite die richtige Hauptsprache zugeordnet wird, sondern auch einzelne Textteile, die von dieser Hauptsprache abweichen, in der richtigen Sprache gekennzeichnet werden.

    Interessieren Sie die Details?

    Bei all diesen Hürden handelt es sich nicht um eine willkürliche Auswahl, sondern um jene häufigsten Mängel, auf die die FFG beim Testen öffentlicher Webseiten, die laut Web-Zugänglichkeits-Gesetz den WCAG 2.1 Stufe AA entsprechen müssen, gestoßen ist. Wenn Sie dazu Genaueres nachlesen wollen, können Sie das im Bericht der FFG unter folgendem Link machen: https://www.ffg.at/digitale-barrierefreiheit/digitales-zugaenglich-machen/top7issues

    Eigener Mist

      Bei diesem Beispieltext habe ich mein eigenes Wissen als Informationsquelle genutzt.

      Es handelt sich dabei um einen Artikel aus der Kolumne Mehrsinne Mittwoch. Er ist im Newsletter des Blinden- und Sehbehindertenverbands Österreich (BSVÖ) im Februar 2023 erschienen.

      Stand der Technik: Wer sagt, was barrierefrei ist?

      Spätestens seit Anfang des Jahres wissen Sie als Leser:in des Mehrsinne Mittwoch, wie das mit der Verpflichtung zum barrierefreien Bauen in Österreich so ist. Woran kann man aber erkennen, ob etwas barrierefrei ist? Wo hört „gut gemeint“ auf, wo fängt „gut gemacht“ an? Und wer oder was bestimmt den Unterschied? Fragen über Fragen.

      Und hier kommt gleich noch eine weitere: Wo waren wir nochmal stehen geblieben? In Österreich muss man barrierefrei bauen. Oder wie war das? Nein, man sollte natürlich, aber wenn man es drauf anlegt, kommt man von Gesetzes wegen auch ganz gut ohne davon. Meistens zumindest. Naja, hier und da gibt es doch recht bindende Vorgaben. Zumindest genug, um Umsetzungsunwilligen Grund zum Nörgeln zu geben. Und ja, wahrscheinlich auch aus Sicht all jener, die sich über eine barrierefreie Umgebung freuen, immerhin ein bisschen was. Die Vorgabe allein ist aber erst die halbe Miete. Ab dann kommt man um eine Frage nicht herum: Was muss ich denn jetzt machen, um die Vorgabe zu erfüllen?

      Das Rad ist schon erfunden

      So manche:r mag der Meinung sein, was barrierefrei ist, läge im Auge des Betrachters bzw. der Betrachterin, sei vielleicht so etwas wie Geschmackssache. Manch andere:r denkt, er oder sie hätte die Weisheit mit Löffeln gegessen und könnte beliebig festlegen, was Barrierefreiheit ausmacht. Von denen, die glauben, der gute Wille allein wäre genug, und ihre ganze Energie darauf verwenden, sich diesen bestätigen zu lassen, wollen wir gar nicht reden. Erstens, weil wir einmal hoffen wollen, dass solche Leute nur Produkt meiner blühenden Phantasie sind. Vor allem aber, weil all diese und ähnliche Ansätze für eines nicht zielführend sind: Ergebnisse, die Zugänglichkeit für einen größtmöglichen Personenkreis mit verschiedensten Voraussetzungen und Fähigkeiten bieten.

      Wenn man ein solches universelles Design, wie es die Behindertenrechtskonvention verlangt, erreichen will, kommt man nicht darum herum, sich an einem gewissen gemeinsamen Nenner zu orientieren. Und der findet sich realistischer Weise nicht in den Köpfen einzelner auch noch so genialer Geister. Das muss er aber auch gar nicht, weil er durch Jahre und Jahrzehnte von ganzen Gruppen engagierter und fachkundiger Leute herausgearbeitet wurde und laufend weiterentwickelt wird. Im besten Fall – und das ist besonders wichtig – von Expertinnen und Experten, die aus eigener Erfahrung beurteilen können, worauf es ankommt, um durch Gebautes nicht behindert zu werden. Das Ergebnis kann man nachlesen, und zwar in diversen Leitfäden, Richtlinien und Normen.

      Nichts ist perfekt

      Falls Sie jetzt glauben, Normen seien das Nonplusultra: Nein, so ist es natürlich auch wieder nicht. Nicht zuletzt bedeuten gemeinsame Nenner immer auch, dass man mit Kompromissen leben muss. Aber so läuft in Gemeinschaften halt vieles, damit sie funktionieren können. Außerdem ist es doch immer noch besser, innerhalb eines im Prinzip gewissenhaft unter Berücksichtigung aller Interessen ausgetüftelten Ganzen gewisse Kompromisse einzugehen, als etwas umgesetzt zu sehen, das im blödesten Fall gar niemandem wirklich etwas bringt, oder?

      Die Norm empfiehlt

      Gut, damit wissen Sie jetzt in etwa, was ich von Normen halte. Davon können Sie sich aber auch nichts kaufen. Viel wichtiger ist: Welche Bedeutung haben sie offiziell? Verbindlich sind Normen schon einmal nicht. Zumindest nicht von Haus aus. Jede Norm kann in einem bestimmten Rahmen für verbindlich erklärt werden. Wäre dieser Rahmen beispielsweise ein Baugesetz, so wäre die Wirkung eine ziemlich flächendeckende. Das ist in Österreich schon einmal nicht gegeben. Einzelne Anforderungen für Barrierefreiheit stehen in der OIB Richtlinie 4, über die Sie an dieser Stelle im Jänner ein bisschen etwas lesen konnten. Was dort steht, ist verpflichtend, aber es ist bei weitem nicht so umfangreich wie das, was die Norm für barrierefreies Bauen unter „barrierefrei“ versteht. Kritische Zungen meinen, es reiche nicht aus, um wenigstens das, was laut Gesetz barrierefrei sein muss, auch wirklich verlässlich zugänglich und nutzbar zu machen.

      Weniger flächendeckend, aber punktuell auch wirksam, wäre zum Beispiel, wenn das Einhalten einer Norm als Voraussetzung festgelegt würde, um eine Förderung für ein Projekt zu erhalten. Ganz ignorieren kann man Normen aber nicht einmal, wenn nichts so eindeutig zu ihrer Umsetzung verpflichtet: Sie definieren nämlich den sogenannten Stand der Technik.

      Im Zweifelsfall: Objektiv schlägt eingebildet

      „Stand der Technik“, dieser Begriff wirkt auf manche ein bisschen wichtigtuerisch. So ähnlich wie ein akademischer Titel, den man stolz vor sich her trägt in der Annahme, dem Blick hinter die Fassade auf die tatsächliche Qualifikation entkommen zu können. Gerade wenn es um Normen für Barrierefreiheit geht, wird der Hinweis darauf, dass es sich hier um den Stand der Technik handelt, ganz gerne belächelt – nach dem Motto „Nur weil sich ein paar Hansln einig geworden sind, dass sie wissen, wo’s langgeht, müssen sie damit nicht recht haben.“ Wie dem auch sei, in der Praxis, wenn es darum geht zu beurteilen, ob nun barrierefrei gestaltet wurde oder nicht, spielen Normen eine wesentliche Rolle. Das gilt auch im Zusammenhang mit Gesetzen: Auch, wenn das Einhalten der Normen für Barrierefreiheit weder im Baurecht noch im Behindertengleichstellungsgesetz vorgegeben ist – wenn es hart auf hart kommt, leuchtet das Argument „ich habe alle bekannten Normen zu dem Thema eingehalten“ mehr ein als „ich finde, das passt schon so“. Normen sind sicher nicht das Maß aller Dinge, aber das Kriterium „besser als gar nichts“ erfüllen sie in puncto Objektivität allemal.

      Beim Namen genannt

      Jetzt wissen Sie also, wo man nachlesen kann, was so landläufig in Österreich als barrierefreies Gebäude gilt. Moment, streng genommen wissen Sie genau das noch nicht. Deshalb bekommen Sie jetzt abschließend noch die Titel der beiden wichtigsten österreichischen Normen in diesem Zusammenhang: Die ÖVE/ÖNORM EN 17210 „Barrierefreiheit und Nutzbarkeit der gebauten Umgebung – Funktionale Anforderungen“ und die ÖNORM B 1600 „Barrierefreies Bauen – Planungsgrundlagen“. Wenn Sie sich jetzt fragen, woher der wohlige Duft nach frisch Gebackenem plötzlich kommt: Den verströmt die ÖNORM B 1600, die gerade letzte Woche in ihrer überarbeiteten Version erschienen ist. Mehr dazu, was neu ist und was das Ganze mit der ÖVE/ÖNORM EN 17210 zu tun hat, aber ein andermal.

      Das war mir neu

        Bei diesem Beispieltext war der Auftrag:
        Suche Informationen zum vorgegebenen Thema zusammen und gestalte Text für eine Broschüre.

        Sie finden hier nur einen Auszug aus dem Text. Im Inhaltsverzeichnis können Sie sehen,
        was in der Broschüre sonst noch vorkommt.

        Gendern leicht gemacht:
        So sprechen Sie alle Menschen an

        Inhalt

        Was ist geschlechtergerechte Sprache?

        • Mehr als Mann und Frau
        • Geschlecht laut Gesetz
        • Männlich aus Gewohnheit

        Warum ist geschlechtergerechte Sprache wichtig?

        • Gewohnheiten hinterfragen
        • Wertschätzung ausdrücken
        • Gesellschaft verändern

        Wie wenden Sie geschlechtergerechte Sprache richtig an?

        • Möglichkeit 1: Eine Form für alle
        • Möglichkeit 2: Ausdrücklich alle einbeziehen

        Fragen und Antworten

        Wörterbuch

        Kontakt

        In diesem Text gibt es einige Wörter, die Sie vielleicht nicht kennen.
        Im Wörterbuch ab Seite 11 erfahren Sie, was diese Wörter bedeuten.
        Die Wörter sind unterstrichen und enthalten einen Link zum Wörterbuch.

        Was ist geschlechtergerechte Sprache?

        Im Titel haben Sie das Wort „Gendern“ gelesen. Wahrscheinlich haben Sie es auch im Alltag schon gehört. Es wird oft verwendet, wenn es um geschlechtergerechte Sprache geht. Also eine Art zu schreiben und zu sprechen, die bewusst berücksichtigt: Es gibt Menschen mit verschiedenen Geschlechtern.

        Mehr als Mann und Frau

        Beim deutschen Wort „Geschlecht“ denken viele an das biologische Geschlecht. Es hängt davon ab, welche körperlichen Geschlechtsmerkmale eine Person hat. Menschen können weibliche, männliche oder beide Geschlechtsmerkmale haben. Menschen mit weiblichen und männlichen Geschlechtsmerkmalen nennt man „intergeschlechtlich“.

        Neben diesem biologischen Geschlecht gibt es auch das soziale Geschlecht. Es hängt von der gesellschaftlichen Rolle einer Person ab und davon, welchem Geschlecht sie sich selbst zugehörig fühlt.

        „Gender“ ist ein englisches Wort und steht für das soziale Geschlecht. Das soziale Geschlecht muss nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen. Und es beinhaltet mehr Möglichkeiten: Ein Mensch kann sich als Mann oder als Frau fühlen. Es ist aber auch möglich, dass er sich als Frau und als Mann gleichzeitig fühlt. Oder dass er sich nicht als Mann und auch nicht als Frau fühlt. Das nennt man „nicht binär“.

        Geschlecht laut Gesetz

        In Österreich ist es rechtlich anerkannt, dass es mehrere verschiedene Geschlechter gibt. Das Geschlecht ist im Personenstandsregister eingetragen. Intergeschlechtliche Menschen können einen von diesen Einträgen wählen: inter, divers, offen, keine Angabe. Nicht binäre Menschen haben diese Möglichkeit in Österreich nicht.

        Männlich aus Gewohnheit

        In der deutschen Sprache verwendet man meist die männliche Form, wenn alle Menschen einer Personengruppe gemeint sind: zum Beispiel Schüler, Lehrer, Wissenschaftler, Ärzte, Politiker, Künstler, Schauspieler.

        Viele Menschen betrachten das als Eigenheit der deutschen Sprache, die keine große Bedeutung hat. Tatsächlich liegt die Aufmerksamkeit dadurch aber auf Männern. Alle anderen Menschen bekommen automatisch weniger Beachtung. Das können Sie vermeiden, indem Sie geschlechtergerechte Sprache verwenden.  

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        Melden Sie sich bei mir: do@wortklaviatur.at

        Sprachenvielfalt

          Naja, hier ist die „Vielfalt“ vielleicht ausnahmsweise etwas übertrieben. Aber sie macht sich halt in der Überschrift so gut. Und immerhin, in einer anderen Sprache als Deutsch kann ich zumindest auch ganz passabel schreiben: Englisch.

          Vieles von dem, was ich auf Englisch bisher geschrieben habe, sind Normtexte und fachliche Stellungnahmen.
          Bei beiden hält sich der Unterhaltungswert für Sie vermutlich in Grenzen. Einen Text habe ich aber, der vielleicht doch recht flüssig zu lesen ist: Es geht darin um Informationen in tastbarer Schrift. Ich habe ihn 2019 für die European Blind Union geschrieben. Sie finden ihn auch auf der Webseite der EBU.

          Don’t get lost – Braille in public areas

          If we are new in a building, we need information to help us finding our way: Where am I? Where can I find something or someone? Who/what is hidden behind a door? Where does a path lead to? Etc. But also in buildings we know better, there is information we depend on in order to be able to use various facilities. For example, to know what happens if I press a certain button in a lift or at a self-service machine, I need something to tell me its function every time I use it. Since this information is so essential for orientation, its provision in public areas is such a matter of course, that we do not even realize how lost we would be without it.

          For blind persons, this information is all the more important. But how can they perceive it? If you cannot see something, you need to be able to hear or touch it. For many situations in public areas, tactile information is particularly useful.

          One possibility of providing such tactile information, are relief characters, numbers or other simple symbols. For short information, this has a huge advantage making it indispensable: Persons, who are used to visual signage, can – as they lose their vision – recognize the characters by touch. If sufficient visibility is provided as well, they can additionally use their residual sight. Moreover, all sighted persons benefit from it.

          However, relief signage also has a big disadvantage: It is not made to be read by touch. The structure of every single letter needs to be touched. This makes reading exhausting and it takes very long. With Braille, this is totally different. It was developed specifically to be perceived by touch. Each letter is a combination of raised dots, which can be perceived at once with a fingertip. This facilitates fluent and swift reading by moving a finger forward along the lines just like the eyes of a sighted reader.

          For many people it is difficult or impossible to learn Braille, because e.g. they have already reached an advanced age when they become blind or their blindness is a symptom of diabetes, which also causes paraesthesia of the fingers. For these people, relief signage is very important.

          But for those who can read Braille, it is incomparably more efficient to read and therefore the only really equal tactile alterative for written text.