Zuugle: Weg ins Grüne auf Schiene – für alle?
Der Mai ist da, der Wald lockt, der Berg ruft. Für viele spricht vieles dafür, auch die Anreise autofrei anzutreten. Und wenn der Startpunkt nicht gerade ums Eck liegt, tut es vielleicht die nächste Bushaltestelle. Hier knüpft „Zuugle“ an, eine Suchmaschine, bei der man Wandertouren inklusive Anreise mit Öffis planen kann. An sich eine feine Idee, finden wir. Aber funktioniert das Suchen auch ohne Stolpersteine?
Warum es notwendig ist, dass Webseiten für alle zugänglich sind, müssen wir ja nicht mehr erklären. Was macht es gerade bei dieser so interessant, die Barrierefreiheit etwas genauer unter die Lupe zu nehmen? Öffentliche Verkehrsmittel sind für alle, die selbst kein Auto lenken können, extrem wichtig, um auch auf längeren Strecken selbständig unterwegs sein zu können. Für sie ist es also besonders nützlich, Ziele danach suchen zu können, ob und wie sie mit Öffis erreichbar sind. Das gilt beispielsweise für Menschen mit Sehbehinderungen und blinde Menschen, die bekanntlich auch bei Webseiten allzu oft auf Probleme stoßen, weil bei der Gestaltung nicht an digitale Barrierefreiheit gedacht wurde. Woran hat man bei Zuugle gedacht? Dr.in Susanne Buchner-Sabathy ist der Frage auf den Grund gegangen.
Versteckte Maus
Ein erster, einfacher Schritt, um sich einen Eindruck von der Zugänglichkeit einer Webseite zu machen, braucht weder viel Fachwissen noch besondere Hilfsmittel. Im Gegenteil, es genügt, ein ganz vertrautes Hilfsmittel, nämlich die Computermaus, einmal eine Runde aussetzen zu lassen. Und dann? Weiter geht’s mit der Tastatur: Mit TAB erkunden Sie Menüpunkte, Links, Schalter und sonstiges. Mit ENTER können Sie sie aktivieren. Die Pfeiltasten nützen Sie beispielsweise zum Scrollen oder auch zum Navigieren in Ausklappmenüs. Und auch die Leertaste kann manchmal hilfreich sein. Für viele Menschen ist es ganz normal, am Computer so zu arbeiten, weil es für sie einfacher ist als mit der Maus.
Auf www.zuugle.at haben wir das einmal versucht. Zunächst sieht es gar nicht so schlecht aus. Die Seite ist recht einfach und übersichtlich aufgebaut – schön prominent je ein Eingabefeld für „Heimatbahnhof“ und „Ausflugsziel“ und daneben eine Taste „Ergebnisse anzeigen“. Bei Kontrast und Schriftgröße ist Luft nach oben, keine Frage. Aber mit der TAB-Taste springt der sogenannte Fokus munter von einem zum nächsten Element – man kommt also zumindest einmal so weit, dass man etwas eintragen und sich das Ergebnis anzeigen lassen könnte.
Kurzes Vergnügen
Die Freude ist allerdings von kurzer Dauer, denn beim Eintragen des Heimatbahnhofs werden automatisch Vorschläge angezeigt, die mit der Tastatur nicht angesteuert werden können. Das wäre ja halb so schlimm, wenn Zuugle offen für neue Vorschläge wäre. Und so scheint es zunächst auch, denn das von uns eingetragene „Wien“ bleibt beim Weiterspringen zum nächsten Feld brav stehen. Wird aber der Schalter zum Anzeigen der Ergebnisse betätigt, erscheint wieder der Ausgangsort, der offensichtlich von Haus aus eingestellt ist, im Eingabefeld und es werden entsprechend Ergebnisse mit Start in Amstetten angezeigt.
Für alle Amstettner:innen ist das selbstverständlich nicht unbedingt ein Problem. Aber auch sie bleiben, wenn sie eine Tastatur nutzen, leider nicht lange glücklich. Ausgerechnet die Ergebnisse lassen sich mit TAB nicht ansteuern. Sie sind nämlich nicht als Links programmiert. Und so gibt es bei der Ergebnisübersicht, die einem den Mund ja durchaus wässrig machen würde, mit der Tastatur kein Weiterkommen.
Start auf Kauderwelsch
Was dieses Problem angeht, haben Screenreader-Nutzer:innen mehr Glück. Die Ergebnisse sind nämlich als Überschriften formatiert und mit dem Screenreader kann man die ansteuern und – wenn sie als anklickbar angesagt werden – mit ENTER zu den Inhalten dahinter gelangen. Für sie ist dafür der erste Eindruck von Zuugle kein so großartiger, denn die Seitensprache ist auf Englisch eingestellt. Der deutsche Text wird dadurch mit englischer Aussprache gelesen und das tut der Verständlichkeit nichts Gutes. Mit den Screenreader-Einstellungen können Nutzer:innen das unterbinden. Trotzdem, ein herzliches Willkommen klingt anders.
Ist diese Hürde einmal überwunden, so fällt positiv auf, dass die Eingabefelder und die Schaltfläche zum Suchen sinnvoll beschriftet und auch problemlos bedienbar sind. Es ist also mit dem Screenreader möglich, zu Ergebnissen zu kommen und auch zu den Detailinformationen dazu zu gelangen. Die Darstellung der Ergebnisse ist aber durchwegs mühsam zu lesen, denn es ist keine sinnvolle Struktur da, in der man sich gut zurechtfinden könnte. Nur ein Beispiel: Welchen Teil würden Sie bei der Angabe „Dauer: 4,5 Stunden“ als Überschrift kennzeichnen? Die „Dauer“? Wir auch. Zuugle nicht. Dort sind die „4,5 Stunden“ die Überschrift.
Fazit: Funktionieren ist anders
Dass die Seite gar nicht zugänglich ist, könnte man zumindest für jene, die einen Screenreader nutzen, fairer Weise nicht behaupten. Selbst für sie ist sie es aber eher schlecht als recht – überhaupt, wenn man bedenkt, dass gleich am Anfang gewissermaßen ein Workaround steht, ohne das das meiste gar nicht verständlich wäre. Sehende Tastatur-Nutzer:innen können die praktische Suchmaschine de facto gar nicht nutzen.
Das ist ausgesprochen schade, denn das Angebot wäre sicherlich gerade für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen sehr reizvoll. Die Arbeit an der Barrierefreiheit von Zuugle wäre also sehr wünschenswert. Und wenn man schon einmal dabei ist, könnten auch bei den Detailinfos solche hinzugefügt werden, die für Menschen mit Behinderungen hilfreich sind – beispielsweise eine Angabe, ob am Ankunftsbahnhof ein ÖBB Mobilitätsservice verfügbar ist.
Alles in allem geht es aber gar nicht so sehr um technische Details und noch weniger darum, ob eine Webseite, eine App, eine Umgebung, eine Veranstaltung oder was auch immer für Menschen mit Behinderungen besonders relevant ist oder nicht. Es sollen einfach möglichst alle Menschen in möglichst allen Situationen von Haus aus Bedingungen vorfinden, die es ihnen ermöglichen, die jeweiligen Angebote ohne Probleme und ohne Hilfe zu nutzen. Dafür ist es wichtig, dass Barrierefreiheit – ob digital, baulich, organisatorisch oder wie auch immer – mit einer immer größeren Selbstverständlichkeit von Anfang an bedacht und umgesetzt wird.
Kontakt
Bei Rückfragen erreichen Sie Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at