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Mehrsinne Mittwoch

Mehrsinne Mittwoch Dezember 2022

    Nach Weihnachten ist vor Weihnachten: Wunschliste für 2023

    Seit einem halben Jahr wird im Rahmen des „Mehrsinne Mittwoch“ jedes Monat ein Thema aufgegriffen, das für Barrierefreiheit im Alltag relevant ist. Am liebsten ist uns natürlich, wenn wir dabei Themen erwischen, die Ihnen tatsächlich wichtig sind. Worüber würden Sie im nächsten Jahr gerne lesen? Gestalten Sie mit!

    Heuer habe ich ihn erstmals erlebt, diesen Moment der Enttäuschung darüber, dass das Christkind die größten Herzenswünsche nicht erhört hat. Zum Glück hat meine Tochter rasch und gekonnt in Begeisterung darüber umgeschwenkt, dass das Christkind Wünsche erraten kann, von denen sie noch nicht einmal selbst etwas wusste. Und doch konnte ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass sie vielleicht noch zufriedener gewesen wäre, wenn sie dem Christkind einen Brief geschrieben hätte anstatt sich auf die Verbundenheit im Geiste mit selbigem zu verlassen.

    Auf gut Glück

    Die Themen im Mehrsinne-Mittwoch waren in den letzten Monaten ganz unterschiedlich: Begonnen haben wir mit einer Erklärung des Mehr-Sinne Prinzips, weil es für Barrierefreiheit für blinde und sehbehinderte Menschen eine so unglaublich große Bedeutung hat. Dann haben wir uns damit befasst, was es bei Veranstaltungen wie Meetings oder Konferenzen zu bedenken gibt, damit alle ungehindert aktiv teilnehmen können. Im Beitrag über Handlaufbeschriftungen haben Sie erfahren, welche Informationen diese besonders leicht aufzufindenden tast- und sichtbaren Schilder üblicherweise bereithalten. Kurz vor dem Sommer haben wir berichtet, wie sich der BSVÖ zur Novelle der Straßenverkehrsordnung geäußert hat und was man sich davon versprechen kann. Im Herbst ging es dann mit einer Vision vom perfekt barrierefreien Hotel weiter und zuletzt haben wir Ihnen eine online Suchplattform für barrierefreie Ordinationen vorgestellt.

    Ausgewählt haben wir die Themen im Grunde nach eigenem Gutdünken. Wenn man den Rückmeldungen glaubt, sind wir damit gar nicht so falsch gelegen. Und trotzdem: Von vornherein zu wissen, welche Fragen Ihnen unter den Nägeln brennen, könnte die Trefferquote begünstigen.

    Wünsche erfüllen

    Idealzustände herzaubern, das können wir natürlich nicht. Nicht einmal in puncto Barrierefreiheit. Insofern war die Überschrift jetzt vielleicht etwas irreführend – ich bitte aufrichtig um Entschuldigung. Aber gezielt darüber Informationen zusammenstellen, was Sie interessiert – gerade in puncto Barrierefreiheit -, das sollte möglich sein. Vorausgesetzt natürlich, wir wissen, was das ist.

    Ihre Beiträge sind gefragt!

    Ganz egal, ob es ein Thema gibt, über das Sie gerne lesen würden, oder ob Sie vielleicht sogar Informationen haben, die sie gerne in einen entsprechenden Kontext verpackt und an andere weitergegeben wüssten: Alles, was mit Barrierefreiheit im Sinne blinder und sehbehinderter Menschen zu tun hat, ist im Mehrsinne-Mittwoch gut untergebracht! Fragen, Stichworte, seitenweise Abhandlungen – alles ist als Hinweis darauf, was Sie interessiert, willkommen – und zwar bei Doris Ossberger unter do@wortklaviatur.at

    Mehrsinne Mittwoch November 2022

      Reden Sie mit: Was macht den Arztbesuch barrierefrei?

      Was kann man noch weniger brauchen als so krank zu werden, dass ein Arztbesuch nötig wird? Richtig, dass der Arztbesuch mühsam ist. Womöglich sogar so mühsam, dass er ohne Hilfe nicht möglich ist. Was ist für Sie besonders wichtig, damit das nicht passiert? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns und helfen Sie Ärzt:innen, ein barrierefreies Service zu bieten!

      Wussten Sie, dass es eine Webseite gibt, auf der Sie herausfinden können, welche Ärztinnen und Ärzte eine barrierefreie Praxis haben? Vielleicht denken Sie sich jetzt „Ja, ja – und wer sagt, was „barrierefrei“ ist? Da werden sie wieder einmal nur an die WCs für Rollstuhlfahrer:innen gedacht haben!“. Dann haben wir gute Nachrichten für Sie: In diesem Fall ist es anders – und es soll sogar noch besser werden.

      Sensibilisierung und Service

      Die ÖQMED, das ist die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin, betreibt eine Plattform, auf der Informationen darüber abrufbar sind, welche für die Zugänglichkeit relevanten Gegebenheiten in Arztpraxen in ganz Österreich vorzufinden sind. Zur Verfügung gestellt werden diese Daten in vielen Fällen von den Ärzt:innen selbst. In einer Reihe von Praxen wurden sie von BIZEPS oder anderen Organisationen zur Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen erhoben. Das Ziel dieses Angebots ist einerseits, das Bewusstsein von Ärzt:innen dafür zu schärfen, welche Aspekte man bedenken muss, um allen einen ungehinderten Zugang zur Praxis zu ermöglichen. Andererseits soll es natürlich Patient:innen zugutekommen, die diese Informationen brauchen, um eine passende Praxis zu finden.

      Exkurs zum digitalen Dienstag

      Streng genommen gehört das ja nicht hier her, aber da die Abfrage der Daten über eine Webseite angeboten wird, kamen wir nicht drum herum, uns diese Webseite auch kurz hinsichtlich Barrierefreiheit anzuschauen. Das Suchformular auf der Webseite https://www.arztbarrierefrei.at/#/search ist grundsätzlich gut mit dem Screenreader bedienbar, solange Sie es vom PC aus aufrufen. Über die Bedienbarkeit am Smartphone breiten wir – weil eben nicht digitaler Dienstag ist – für heute lieber den Mantel des Schweigens und empfehlen Ihnen, über den PC einzusteigen, wenn Sie sich nicht fürchterlich ärgern wollen. Auch in der PC-Version gibt es ein paar kleine Ungereimtheiten, die Sie vielleicht hier und da irritieren, aber hoffentlich nicht daran hindern werden, die Suchfunktion uneingeschränkt zu nutzen. Wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie nach Aufruf der Webseite keine Überschrift finden – es gibt keine. Starten Sie dann am besten gleich mit TAB und ignorieren Sie wohlwollend, dass Sie auf die Schaltfläche „Suchen“ gelangen, bevor Sie irgendetwas ausfüllen oder auswählen konnten. Zu den Feldern, wo Sie das können, kommen Sie, wenn Sie mit TAB weiter gehen. Die Formularelemente selbst sind dann mit dem Screenreader gut bedienbar. Ein bisschen verwirrend ist, dass es bei der Auswahl der Wochentage keine Gruppenbeschriftung, wie zum Beispiel „An welchen Wochentagen soll die Ordination geöffnet haben?“ gibt und die Wochentage auch nicht ausgeschrieben werden. „Montag“ wird beispielsweise mit „Mo“ abgekürzt. Wenn Sie sich also gerne selbst ein Bild von dem Angebot machen wollen, erwartet Sie am PC kein Desaster. Natürlich werden wir aber den Betreiber auf die Probleme aufmerksam machen, die gerade in diesem Zusammenhang so gar keinen schlanken Fuß machen.

      Was alles dahinter ist

      Dennoch hat die Sache ohne Zweifel ihren Reiz. Aber was macht den aus? Der Versuch, etwas den Stempel „barrierefrei“ im besten Sinne aufzudrücken ist in den meisten Fällen zum Scheitern verurteilt – zumindest, wenn man dabei seriös bleiben will. Wem das mit der Seriosität nicht so wichtig ist, hat es freilich einfacher. So jemandem würde womöglich sogar eine freistehende Rampe im Umkreis von 150 m des Hauseingangs reichen, um die Arztpraxis im 3. Stock des Hauses als barrierefrei auszuweisen – und zwar ungeachtet dessen, ob es zum Beispiel im Haus einen Lift gibt, geschweige denn ob er mehr als nur Sensortasten zur Auswahl des Stockwerks zu bieten hat. Andererseits hätte jemand mit einem ehrlichen Interesse, Patient:innen den Arztbesuch zu erleichtern, keine Möglichkeit beispielsweise zu kommunizieren, wie sensationell sich blinde Menschen in seiner Praxis zurechtfinden können, wenn sie wegen der Stufe beim Hauseingang definitiv nicht als barrierefrei bezeichnet werden kann.

      Hier setzt die Plattform der ÖQMED an: Im Suchformular stehen verschiedenste Kriterien zur Auswahl, die für die Zugänglichkeit eine Rolle spielen. Je nachdem, was für Sie persönlich ausschlaggebend ist, um den Arztbesuch einigermaßen entspannt und ohne fremde Hilfe hinter sich zu bringen, können Sie die Suche genau nach diesen Anforderungen filtern. Dieses System macht auch die Selbsteinschätzung durch die Ärzt:innen, auf deren Basis ja viele der Daten zustande kommen, weniger problematisch. Könnten sie nämlich nur „barrierefrei“ angeben, könnte das alles und nichts bedeuten und wäre wenig hilfreich. Aussagen wie „Zum Erreichen der Ordination müssen maximal drei Stufen überwunden werden.“, „Die Vorderkanten der Stufen sind kontrastreich markiert.“ oder „Eine Stockwerkansage ist im Aufzug vorhanden.“ hingegen sind doch ziemlich konkret und können ohne spezielles Fachwissen kompetent beantwortet werden. Gleichzeitig lässt sich danach individuell entscheiden, ob für Sie persönlich die Bedingungen so passen.

      Hilfreiche Praxis sticht edle Theorie

      Zum schnelleren Finden der relevanten Kriterien sind diese im ÖQMED-Suchformular nach Gruppen von Personen mit unterschiedlichen Arten von Behinderungen geordnet. Verfechter:innen des Universal Design Ansatzes, wie ich eine bin, sind angesichts dieser Zuordnung von Barrierefreiheitsanforderungen zu einzelnen Personengruppen geneigt sich zu echauffieren. In diesem speziellen Fall hat sie aber doch irgendwie eine Berechtigung, erleichtert sie in der Praxis wahrscheinlich doch das schnelle Finden jener Kriterien, auf die man besonderen Wert legt, wenn man eine bestimmte Beeinträchtigung hat. In wieweit die Kategorien schlüssig und die einzelnen Kriterien adäquat zugeordnet sind, darf selbstverständlich kritisch hinterfragt werden.

      Sie sind am Wort!

      Aktuell möchte die ÖQMED ihren Erhebungsbogen überarbeiten und ist mit der Bitte um Unterstützung auf den Österreichischen Behindertenrat (ÖBR) zugekommen. Auf diesem Weg ist die Anfrage auch zum BSVÖ gelangt. Wir haben also die Möglichkeit, die Informationen, die auf der Suche nach einer passenden Arztpraxis abgefragt werden können, mitzugestalten. Und an dieser Stelle kommen Sie ins Spiel! Was ist für Sie wichtig zu wissen, damit Sie einschätzen können, ob eine Arztpraxis für Sie gut zugänglich ist? Was würden Sie erfragen wollen, um eine passende Ordination auszuwählen? Welche Bedingungen wollen Sie auf keinen Fall vorfinden? Gibt es Hürden, die für Sie so unüberwindbar sind, dass sie keine zehn Pferde in eine Ordination bringen könnten? Oder anders herum gefragt: Was muss unbedingt gegeben sein, damit Ihnen der Arztbesuch bewältigbar erscheint?

      Lassen Sie uns wissen, was es braucht – frei von der Leber weg! Ganz egal, ob es um bauliche, ausstattungstechnische, digitale oder organisatorische Hürden geht: Mit Ihrer Auskunft helfen Sie mit, dass die Suche nach barrierefreien Ordinationen bestmöglich an die realen Anforderungen angepasst ist! Bitte senden Sie ihn an Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at – je eher, desto besser!

      Mehrsinne Mittwoch Oktober 2022

        Sich wie zu Hause fühlen: Was ein Hotel barrierefrei macht

        Ganz egal ob im Urlaub oder geschäftlich: das Reisen ist wieder im Kommen. Auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft spielt die Frage, wie gut man sich ohne Hilfe zurechtfindet, eine wichtige Rolle.

        Wenn Sie bei einem Hotel nach der Barrierefreiheit fragen, wird man Ihnen möglicherweise stolz das „rollstuhlgerechte“ Zimmer präsentieren. Mit etwas Glück ist sogar der Weg zu diesem Zimmer stufenlos bzw. mit einem Aufzug erreichbar. Das alleine ist schon für all jene nicht das höchste der Gefühle, für die die Selbständigkeit im Urlaub oder auf einer Geschäftsreise maßgeblich davon abhängt, ob das Hotel mit all seinen Angeboten mit dem Rollstuhl zugänglich ist. Dass es für Gäste, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben, noch ganz andere Dinge zu bedenken gibt, ist noch weniger bekannt – dabei können viele dieser Voraussetzungen ohne großen Aufwand geschaffen werden!

        Bewährte Barrierefreiheitsgrundsätze

        Ganz allgemein ist es natürlich alles andere als ein Fehler, sich schon beim Bau eines Hotels an bestimmte Prinzipien zu halten, die bekannter Weise die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für blinde und sehbehinderte Menschen ermöglichen. Welche genau das sind, ist für Planende in diversen Normen schön und umfassend beschrieben. Im Wesentlichen gilt es, vier Aspekte zu beachten: Erstens sollte man auf das Errichten von Barrieren tunlichst verzichten – no-na – und sich durchwegs vom Mehrsinne-Prinzip begleiten lassen. Zweitens sollten gut sichtbare Raumstrukturen und -elemente gemeinsam mit ergänzenden visuellen Informationen die sehende Orientierung bestmöglich unterstützen. Dasselbe gilt drittens für die taktile Orientierung, die entlang durchgehender tastbarer Orientierungslinien aus Raumstrukturen und -elementen, taktilen Bodeninformationen und mit der Hand tastbaren Informationen möglich sein soll. Und zu guter Letzt ist es sehr wichtig Gefahrenstellen effektiv abzusichern bzw. zu markieren. Das heißt, dass zum Beispiel Hindernisse in Kopf- und Brusthöhe baulich abgesichert, Stufen und transparente Wände gut sichtbar markiert und Treppenabgänge durch ein taktiles Aufmerksamkeitsfeld angekündigt werden.

        „Temporäres Zuhause“ als Herausforderung

        Wenn Sie Hotelgast sind, werden Sie in den meisten Fällen zumindest zunächst kaum bis gar nicht mit der Umgebung vertraut sein. Für die Dauer Ihres Aufenthaltes haben Sie höchstwahrscheinlich dennoch den Anspruch, nicht für jeden Schritt oder Handgriff Unterstützung anfordern zu müssen. Das Hotel muss daher den Spagat schaffen, grundsätzlich allen Gästen eine selbständige Orientierung zu ermöglichen, aber in entscheidenden Situationen dafür zu sorgen, dass gezielte Unterstützung selbstverständlich und niederschwellig bereitgestellt wird. Gelingen kann das durch eine Kombination aus barrierefreier Gestaltung und einem gut durchdachten Serviceangebot.

        Ankommen

        Zunächst einmal müssen Eingang und Rezeption gut zu finden sein. Dafür braucht es eine gut sicht- und tastbare Führung zum Eingang und zum besetzten Empfangsbereich. Eine Führungslinie, die beides in einem bietet, kann gut mit taktilen Bodeninformationen hergestellt werden, aber auch zum Beispiel mit einem Teppichläufer, der sich in Material und Farbe gut von der Umgebung unterscheidet. Führt man diese Linie weiter zum Beispiel zum Aufzug und zum Restaurant, erleichtert man den Gästen damit die Orientierung während des gesamten Aufenthalts und sie finden auch den Ausgang von verschiedenen Punkten im Gebäude aus besser alleine. Indem Eingangsbereich und Rezeption möglichst auffallend gestaltet werden, kann man sie leichter finden und erkennen.

        Der Empfang ist die erste Situation, in der die Möglichkeit besteht, über das Unterstützungsangebot zu informieren und es bei Bedarf auch gleich in Anspruch zu nehmen. Beim Einchecken bekommen Gäste üblicherweise diverse Standardinformationen zum Hotel: Wo ist das Zimmer? Wann und wo gibt es Frühstück/Mittagessen/Abendessen? Wie kann man vom Zimmer aus mit der Rezeption Kontakt aufnehmen? Etc. Das bietet eine gute Gelegenheit, auch je nach Wunsch eine kurze Führung durch das Hotel mit den wichtigsten Orientierungspunkten, die Begleitung zum Zimmer, eine Erklärung zur Steckrichtung der Schlüsselkarte, eine Anleitung zur Nutzung z.B. des Telefons im Zimmer etc. anzubieten. Außerdem kann auf weitere Informationsmöglichkeiten hingewiesen werden (Kurzwahltaste zur Rezeption, Informationsbroschüren und Bedienungsanleitungen in Braille und Großdruck etc.).

        Gut zu wissen ist übrigens auch, dass Blindenführhunden laut Gesetz überall Zutritt gewährt werden muss – unabhängig davon, ob Tiere ansonsten erlaubt sind oder nicht.

        Zurechtfinden und Wohnen

        Wenn Sie als Gast in einem Hotel ankommen, werden Sie sich wahrscheinlich zunächst einmal mit den Räumlichkeiten vertraut machen – entweder alleine oder bei Bedarf mit Unterstützung. Damit sich alle Gäste im Hotel und besonders auch im eigenen Zimmer sicher bewegen können, ist es besonders wichtig, dass Hindernisse vermieden und Gefahrenstellen abgesichert werden.

        Die barrierefreie Ausstattung der Aufzüge ist auch ansonsten ein sehr wichtiges Thema. Für blinde und sehbehinderte Menschen bedeutet das unter anderem, dass sowohl die Rufknöpfe als auch die Knöpfe im Inneren des Aufzugs einen Druckpunkt aufweisen, der es spürbar macht, wenn man sie betätigt hat, und tastbar sowie gut kontrastierend beschriftet sind. Eine hörbare Stockwerkansage in der Liftkabine ist wichtig, um zu erkennen, wenn man das gewünschte Stockwerk erreicht hat. Außerdem hilft z.B. eine taktile Auffanglinie am Boden im Bereich der Aufzugstür (Ruftaste) in jedem Stockwerk, den Lift zu finden.

        Essen und Trinken

        Besonders das Frühstück wird in Hotels sehr oft als Buffet gestaltet. Insbesondere für blinde Menschen ist die Selbstbedienung bei einem solchen Buffet extrem schwer bis unmöglich. Daher sollte das Hotel unbedingt wahlweise die Assistenz oder Bedienung durch das Personal anbieten – und zwar von Haus aus, ohne dass sie kompliziert angefordert werden muss.

        Wenn es eine Speisekarte gibt, sollte diese auch in Großdruck sowie in Braille angeboten werden, damit sehbehinderte und blinde Menschen selbst aus dem Angebot wählen können. Ist eine solche Speisekarte nicht verfügbar, so sollte das Vorlesen der Karte durch das Personal möglich sein. Übrigens: Für alle, die ein Smartphone nutzen, ist auch eine Speisekarte in Form eines QR Codes eine praktische Lösung. Was es dabei zu beachten gilt, können Sie in unserem Beitrag zum Digitalen Dienstag von August 2021 unter folgendem Link nachlesen: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/1199/BSVOe-Digitaler-Dienstag-Appetit-auf-Inklusion-Gasthausbesuche-QR-Codes-und-Barrierefreies-zum-Lesen

        Ausnahmesituation Evakuierung

        Barrierefreie Evakuierung ist ein umfangreiches Thema, das im Rahmen des Evakuierungskonzeptes durchdacht werden muss. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Flüchten ohne Unterstützung besonders in einer nicht vertrauten Umgebung extrem schwierig. Bei Hotels bietet es sich an, in allen Zimmern ein Schild bereitzustellen, das jene Gäste, die im Evakuierungsfall auf Unterstützung angewiesen sind, außen an die Türe hängen können. Auf diese Weise können die Evakuierungshelfer auf den ersten Blick erkennen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Selbstverständlich müssen blinde und sehbehinderte Menschen darüber informiert werden, dass es dieses Schild gibt und wo sie es finden, damit sie es auch nutzen können.

        Kontakt

        Welche Erfahrungen haben Sie mit der Barrierefreiheit von Hotels und anderen Unterkünften gemacht? Sind Sie mit unserer Zusammenstellung von Dingen, die es braucht, einverstanden? Haben wir auf etwas Wesentliches vergessen oder fordern wir gar an einzelnen Stellen zu viel des Guten? Ihre Meinung interessiert uns! Teilen Sie sie gerne mit uns in einer E-Mail an Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at

        Mehrsinne Mittwoch Juni 2022

          Gemischte Sicherheitsgefühle: Ein Kommentar zur 33. StVO Novelle

          Rot ist rot, grün ist grün, sicher ist sicher. Braucht es denn unbedingt immer eine Ausnahme, um die Regel zu bestätigen?

          „He, Du bist bei Rot gefahren!“, rügte mich erst kürzlich meine dreijährige Tochter vom Autorücksitz aus. War ich natürlich nicht. Aber beruhigend zu wissen, dass die ersten Versuche in Richtung Verkehrserziehung doch schon zarte Früchte tragen dürften. Umso beunruhigender aber, dass „was doch jedes Kind weiß“ nun gar nicht mehr so klar ist. Die 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) rühmt sich damit, zahlreiche Verbesserungen für die Sicherheit von Fußgänger:innen und Radfahrer:innen zu bringen. Und das tut sie. Teilweise. Aber dort, wo sie es nicht tut, könnte sie sogar für Verschlechterungen sorgen.

          Zuerst die gute Nachricht

          Und die ist: der Entwurf für die Novelle hat durchaus einige positive Veränderungen enthalten. Es war sogar manches dabei, das der BSVÖ schon lange immer wieder aktiv gefordert hatte. Dazu gehört zum Beispiel das Vorbeifahrverbot bei Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel. Das spielt überall dort eine Rolle, wo bei einer Straßenbahn- oder Bushaltestelle zwischen dem Gehsteig und der tatsächlichen Einstiegstelle eine Fahrbahn liegt, die man überqueren muss, wenn man einsteigen möchte. Auch dass auf Verkehrsflächen für den Fußgängerverkehr ein Querschnitt von mindestens 1,5 Meter als freie Bewegungsfläche zur Verfügung stehen muss, ist eine positive Entwicklung. Den Mindestabstand für das Halten und Parken im Kreuzungsbereich von 5 auf 8 Meter anzuheben, um die Sichtbeziehungen beim Queren zu verbessern, hätte ebenfalls einer unserer langjährigen Forderungen entsprochen. Aber warum denn „hätte“?

          Wie gewonnen, so zerronnen

          Ja, Sie haben richtig gelesen. All die Sensationsmeldungen, die ich mir schon zusammenformuliert hatte, um von diesem lang ersehnten Erfolg zu berichten, müssen vorläufig direkt in den Papierkorb wandern. Grund dafür dürfte eine Stellungnahme der Wiener Landesregierung sein, in der hauptsächlich finanziell argumentiert wird: es sei zu kostspielig, alle Kreuzungen, an denen der Mindestabstand von 8 Metern nicht gegeben ist, entsprechend anzupassen. 

          Jetzt wird’s gefährlich

          Doch es sind nicht nur die Verbesserungen, die doch nicht kamen, die uns Kopfzerbrechen bereiten. Auch dass bestimmte problematische Punkte im Entwurf nicht zurückgezogen wurden, ist besorgniserregend. Konkret handelt es sich dabei um zwei Aspekte: Rechtsabbiegen und in bestimmten Situationen auch Geradeausfahren bei Rot wird für Radfahrer:innen erlaubt und die Möglichkeit, gemischte Wege zur Fahrbahnquerung für den Fuß- und Radverkehr zu errichten, wird durch ein entsprechendes Straßenverkehrszeichen gefestigt. Insbesondere an der Legalisierung des Rechtsabbiegens bei Rot hatten einige namhafte Organisationen wie das Kuratorium für Verkehrssicherheit, der ÖAMTC oder auch die WKO Kritik geübt. Der BSVÖ und auch der Österreichische Behindertenrat (ÖBR) hatten sich entschieden dagegen gestellt. Dennoch hat es die Regelung scheinbar ohne größere Probleme in die Regierungsvorlage geschafft.

          Wenn Signale Kopf stehen

          Was stört uns aber so daran, dass es unter bestimmten Bedingungen erlaubt werden soll, eine rote Ampel nicht zum Anlass zu nehmen anzuhalten? Widerstrebt uns ein allzu harmonisch fließender Verkehr oder vergönnen wir es den Radfahrer:innen nicht, zügig voran zu kommen? Selbstverständlich liegt es daran nicht. Es geht uns um die Sicherheit – und zwar nicht zuletzt die der Radfahrer:innen. Gerade für sie kann es nämlich ganz schön gefährlich werden, wenn die Sichtbeziehungen nicht gegeben sind, um die Verkehrssituation richtig einschätzen zu können, sie sich in der Hitze des Gefechts aber vielleicht allzu sehr auf ihr Glück verlassen.

          Das ist ein wesentlicher Aspekt, aber offen gesagt nicht der, der den BSVÖ als Selbsthilfeorganisation blinder und sehbehinderter Menschen in erster Linie zur Gegeninitiative veranlasst. Was wir für so besonders problematisch halten ist, dass eine solche Regelung unweigerlich dazu führt, dass sich Fußgänger:innen nicht mehr darauf verlassen können, dass ein Freigabesignal – sei es ein grünes Licht, ein schnelles Klopfen oder auch ein tastbares Vibrieren – bedeutet „du kannst jetzt über die Straße gehen und musst nicht damit rechnen überfahren zu werden“.

          Kreuz und Querung

          Apropos „in Ruhe eine Straße queren“: das ist etwas, das auch durch das Zusammenlegen von Schutzwegen und Radfahrerüberfahrten schwierig bis unmöglich wird – und zwar sowohl für Fußgänger:innen als auch für Radfahrer:innen. Genau das wird beim sogenannten „St. Pöltener Modell“, das seit der 30. StVO Novelle gesetzlich verankert ist, gemacht. Könnte man davon ausgehen, dass jeder und jede einzelne auf dieser gemischten Verkehrsfläche einer eigenen Querungslinie folgt und die sich nicht überschneiden, würde es ja funktionieren. In der Praxis ist das aber nicht so – und dafür braucht es gar kein unzivilisiertes, sondern einfach nur ein natürliches Fortbewegungsverhalten. Konflikte sind da vorprogrammiert – auf allen gemischten Verkehrsflächen, für alle, die sie nutzen. Man kommt einander in die Quere. Fußgänger:innen fürchten, von Radfahrer:innen „angefahren“ zu werden, Radfahrer:innen ärgern sich über Fußgänger:innen, durch die sie sich einen Weg bahnen müssen, um nicht zu stolpern. Zufrieden und entspannt ist in Wirklichkeit keiner. Wenn das Ganze mitten auf einer Fahrbahn stattfindet, ist das Problem noch einmal deutlich verschärft und die Situation gefährlicher. Noch schlimmer ist es, wenn man beispielsweise durch eine Sehbehinderung oder Blindheit nur sehr begrenzte Möglichkeiten hat, durch das eigene Verhalten den Konflikt- und Gefahrensituationen entgegenzuwirken oder ihnen rechtzeitig auszuweichen.

          Aufstehen und weitermachen

          Der BSVÖ hat seine Kritik an diesen beiden und auch Anregungen für weitere Punkte, bei denen wir Verbesserungsbedarf sehen, im Rahmen des Begutachtungsverfahrens eingebracht. Am 20. Juni wurde eine unter Berücksichtigung der eingegangenen Stellungnahmen überarbeitete Fassung der Novelle im Verkehrsausschuss der Bundesregierung beschlossen. Diese Regierungsvorlage braucht nun noch die Zustimmung des Nationalrats – im Grunde also nur mehr eine Formalität.

          Die Veränderungen, die die 33. StVO Novelle bringt oder auch doch nicht bringt, stehen damit fest. Die Verbesserungen, sind erfreulich, die Verschlechterungen und dass unsere Bedenken nicht gehört wurden, sind es nicht. Wie kann es jetzt weitergehen? Selbstverständlich wird sich der BSVÖ weiter einsetzen. Die nächste Gelegenheit wird wohl erst die nächste Novelle bieten. Bis dahin gilt es, das Netzwerk zu erweitern und Argumente zu sammeln.

          Interesse an Details?

          Unter https://www.blindenverband.at/de/information/stellungnahmen finden Sie unsere schon etwas ältere, aber inhaltlich nicht weniger aktuelle Stellungnahme zum Thema Rechtsabbiegen bei Rot. Dort können Sie genauer nachlesen, worin aus unserer Sicht die Problematik besteht. Auch unsere komplette Stellungnahme zum Entwurf der 33. StVO Novelle steht dort zum Download bereit. Wenn Sie sich so richtig vertiefen wollen, finden Sie unter https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/ME/ME_00197/#tab-Stellungnahmen auch die alle anderen Stellungnahmen – unter anderem die des ÖBR, der die des BSVÖ ausdrücklich unterstützt hat.

          Kontakt

          Im Juli und August macht der Mehrsinne Mittwoch eine kleine Pause. Ihre Rückfragen und Anregungen erwartet unter barrierefrei@blindenverband.at ein schattiges Plätzchen, wo sie bis zum Herbst darauf warten dürfen, von Doris Ossberger gelesen und bearbeitet zu werden. Wir wünschen einen angenehmen Sommer!

          Mehrsinne Mittwoch Mai 2022

            Informationen unter der Hand: Was Handlaufbeschriftungen uns sagen wollen

            Wenn man wissen möchte, wo man ist, kann die richtige Information am richtigen Ort enorm hilfreich sein. Am nützlichsten ist sie, wenn man sie auch entziffern kann.

            Bevor es ans Lesen und womöglich sogar Verstehen einer Information geht, muss sie einmal gefunden werden. Bei sichtbaren Informationen ist das meist keine allzu große Wissenschaft, solange sich deren Anbieter:innen nicht allzu patschert anstellen. Sie werden ganz selbstverständlich überall dort zur Verfügung gestellt, wo irgendetwas nicht selbsterklärend ist – wohin ein Weg führt, welche Funktion ein Knopf hat, was sich hinter einer Tür verbirgt oder was in einen Mistkübel hinein soll. All das wird uns anschaulich vermittelt. Die Kunst besteht eigentlich nur noch darin, es so zu gestalten und zu platzieren, dass es nicht in der allgegenwärtigen Fülle der sichtbaren Eindrücke untergeht. Dann braucht man zum Finden der Information nur mehr aufmerksam in der Gegend herumschauen.

            Die Sache mit dem Finden

            Bei tastbaren Informationen ist das Auffinden eine deutlich größere Herausforderung – für Nutzer:innen und Planer:innen gleichermaßen. Schon alleine das Wissen darüber, dass es an einem Ort etwas Informatives zu ertasten gibt, drängt sich nicht so auf, wie es das bei sichtbaren Infos tut. Und selbst, wenn man weiß, dass es etwas zu finden geben sollte, gestaltet sich das „auf gut Glück durch die Gegend Tasten“ in einem Raum, der größer ist als der eigene Schreibtisch, ungleich schwieriger und weniger erfolgversprechend als sich sehend umzuschauen. Man kann es drehen und wenden, wie man will: das Tasten gehört nun mal nicht zu den Fernsinnen wie das Sehen oder auch das Hören. Gibt es dann überhaupt eine Möglichkeit, kleine tastbare Schilder in einem großen Gebäude zu finden?

            Selbstläufer in puncto Finden

            Eine Möglichkeit, die man als Planer:in immer hat, ist, zu einer taktilen Information eine taktile Leitlinie hin zu führen, wenn man will, dass sie gefunden wird. Das Problem ist nur, dass man bei taktilen Leitlinien schon ziemlich genau darauf achten muss, dass es nicht zu viele werden. Dafür muss sorgfältig ausgewählt werden, wohin eine Linie wirklich sinnvoll ist. Würde man jede einzelne tastbare Information anbinden, hätte man bald am Boden eine kreuz und quer gestreifte Fläche und erst wieder keine Orientierung. Deshalb behilft man sich damit, tastbare Schilder in erster Linie an Stellen anzubringen, an denen es auch ohne extra hin geführt zu werden, gute Chancen gibt, dass man sie findet.

            Solche Stellen gibt es nicht allzu viele. Ein Klassiker sind Türschilder. Zugegeben, so ganz intuitiv auffindbar sind die nicht. Aber sie sind immerhin als Möglichkeit dafür, tastbare Informationen unterzubringen, so bekannt, dass es den Aufwand wert ist, auf gut Glück nach einer zu suchen. Am besten tut man das an der Wand unmittelbar neben der Türe auf der Seite, wo die Türschnalle ist, ungefähr in Durchschnitts-Augenhöhe. Wenn es etwas gibt, dann sollte es dort in der Gegend montiert sein.

            Es geht aber noch intuitiver, und zwar bei Handläufen: Dadurch, dass sie ja die Funktion haben angegriffen zu werden, gelingt es tastbaren Informationen kaum wo anders so gut, sich wie von selbst unter die Finger zu legen.

            Ist da etwas?

            Natürlich bzw. leider ist nicht überall, wo ein Handlauf ist, zwangsläufig auch eine tastbare Information. Am wahrscheinlichsten sind sie direkt am Anfang und Ende jedes Handlaufs – also bei einer Treppe auf beiden Seiten – zu finden. Am besten auf dem waagrechten Teil, der über die Treppe ein wenig hinaus führt. Dort gehören sie laut Norm nämlich hin. Das hat einen guten praktischen Grund, denn es gewährleistet, dass man beim konzentrierten Lesen in Ruhe am Treppenpodest stehen kann und nicht mitten auf der Treppe, wo der Untergrund doch deutlich unsicherer ist. Oft wird das aber nicht so strikt eingehalten – manchmal aus Unwissen, manchmal aus Unwillen und manchmal einfach deshalb, weil es diesen waagrechten Teil des Handlaufs nicht gibt. Wenn sich also direkt am Anfang und Ende eines Handlaufs nichts Tastbares aufdrängt, sollte man die Hoffnung auf den nächsten paar Zentimetern noch nicht aufgeben. Wenn es allerdings zu weit in Richtung Verlauf der Treppe geht, dann ist ein Schild, das man dort noch findet, zumindest nicht so platziert, wie wir und die Norm uns das vorstellen.

            Essenzielles zur Orientierung

            Was können Sie sich nun an Informationen auf so einem Handlaufschildchen erwarten? Nun, Romane können und sollen auch gar nicht untergebracht werden. Im Gegenteil, je kürzer und prägnanter die Information ist, desto besser. Allgemein verständlich sollte sie dabei trotzdem bleiben. Deshalb ist besonders bei Abkürzungen Vorsicht geboten. Da sollten wirklich nur absolut gängige, wie z.B. „Str.“ für „Straße“ genutzt werden. Einiges an Kürze könnte man mit Symbolen erreichen. Aber auch da gilt es, sich auf eine sehr geringe Auswahl von einfach ertastbaren und selbsterklärenden Symbolen zu beschränken. Am allerbesten arbeitet man nur mit Pfeilen in verschiedene Richtungen in Kombination mit Text. Für das, was Handlaufinformationen uns sinnvoller Weise sagen können und sollen, reicht das absolut aus: Wo sind wir, woher kommen wir, wohin gehen wir? Fast schon philosophisch, oder?

            Lesen mit zwei Sinnen

            Damit möglichst viele Menschen sie nutzen können, müssen die Informationen auf den Handlaufschilder nicht nur tastbar, sondern auch gut sichtbar sein – zumindest jener Teil, mit dem sehende Menschen etwas anfangen können. Also für die als Relief ausgeführten Großbuchstaben, Ziffern, Pfeile und sonstige Symbole. Die Brailleschrift muss nicht gut sichtbar sein – obwohl es auch niemanden stört, wenn sie es ist. Gerade auf Handlaufschildern ist der beste Platz, um sie unterzubringen, sogar einer, wo sie für sehende Menschen eher versteckt ist: auf der Seite des Handlaufs, der den auf der Treppe stehenden Nutzer:innen abgewandt ist. Bei Handläufen mit einem runden Querschnitt kann die Information an dieser Stelle besonders bequem gelesen werden, weil es eine Handhaltung erlaubt, in der das Tasten gut funktioniert. Gleichzeitig geht es sich so aus, dass die Zeichen, die gesehen werden müssen, schön prominent entlang der Oberseite des Handlaufs verlaufen.

            Aber Moment, kurz zurück: Haben Sie richtig gelesen, habe ich da gerade von „sonstigen Symbolen“ gesprochen? Und hatte ich nicht eben noch behauptet, man sollte sich tunlichst auf Pfeile beschränken? Ja, erwischt, da habe ich Ihnen noch eine Kleinigkeit vorbehalten. Oder besser gesagt: Ich habe Ihnen das Beste zum Schluss aufgehoben. Es gibt nämlich noch drei weitere Symbole, die für Handlaufinformationen typisch sind. Das sind sie, weil sie in der Norm stehen. Oder umgekehrt. Wer weiß das schon – ist wohl eine von diesen Henne- und Ei-Geschichten. Jedenfalls sind sie erfahrungsgemäß nicht für alle so selbsterklärend, wie es die Norm sich vorstellt.  

            Zeichen richtig deuten

            Das erste dieser Symbole wird in der Norm „Fadenkreuz“ genannt und wird verwendet, um den Standort zwischen den Wegen in zwei unterschiedliche Richtungen zu kennzeichnen. Das ist nichts anderes als ein kleiner Kreis, von dem oben, unten, rechts und links jeweils ein kurzer Strich weg geht. Dort, wo eine Richtung angegeben wird, ist dieser Strich zu einem Pfeil verlängert. Wenn Sie also z.B. zu einer aufwärts führenden Treppe kommen, könnte dort ein Schild sein, auf dem in der Mitte ein solcher Kreis ist, von dem aus ein Pfeil in Richtung Treppenaufgang und ein zweiter in die entgegengesetzte Richtung zeigt. Jeweils hinter dem Pfeil sollte dann stehen, wohin er zeigt. Also z.B. ein Straßenname, eine Buslinie, eine Zimmernummer oder sonstiges. Sie wissen dann also, welche Wege Ihnen zur Auswahl stehen.

            Das zweite Symbol ist eines für „Ausgang“, das gleichzeitig angibt, in welche Richtung Sie gehen müssen, um dorthin zu kommen. Es ist ein auf einer Seite offenes Rechteck. Aus der offenen Seite heraus zeigt ein Pfeil in die Richtung, in der der Ausgang liegt. In einem Gebäude könnten Sie z.B. ein Schild finden, auf dem ein „1.OG“ Sie darüber informiert, dass Sie im ersten Obergeschoß sind, und rechts oder links davon das eben beschriebene Zeichen Ihnen den Weg zum Ausgang weist. Für Notausgänge gibt es eine Spezialform dieses Zeichens, mit einem zweiten Strich parallel zur geschlossenen Seite des Rechtecks. Sehend unterscheidet es sich zusätzlich durch den grünen Hintergrund vom „normalen“ Ausgang-Zeichen. Es wird eingesetzt, wenn der Notausgang nicht derselbe wie der allgemeine Ausgang ist.

            Das dritte Symbol ist dazu da, um am Handlauf auf eine taktile Informationstafel an der Wand hinzuweisen. Das kann sinnvoll sein, wenn es an einer Stelle mehr Informationen braucht als man auf einem Handlauf unterbringen kann. Außerdem bietet es sich an, wenn man den Handlauf als Leitelement nutzen möchte, das zu einer Informationstafel führt. Das Zeichen besteht aus einem kleinen „I“ (kurzer senkrechter Strich mit Punkt darüber), das für „Information“ steht und rechts und links zwei gebogenen Pfeilen, die in Richtung Wand zeigen.

            Kontakt

            Die Norm, in der all das beschrieben ist, heißt ÖNORM V 2105. Im Moment wird eine europäische Norm über taktile Beschriftungen ausgearbeitet, die die österreichische Norm wahrscheinlich in einigen Jahren ersetzen wird. Der BSVÖ arbeitet an der Entwicklung dieser europäischen Norm tatkräftig mit. Möchten Sie uns dafür etwas aus Ihrer Erfahrung als Nutzerin oder Nutzer mitgeben? Oder haben Sie weitere Fragen zur Bedeutung der Handlaufinformationen? Melden Sie sich gerne bei Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at

            Mehrsinne Mittwoch April 2022

              Barrierefreie Veranstaltungen: Wenn Treffen wieder greifbar wird

              Der Frühling ist da und mit ihm die Hoffnung, dass wir außerhalb der eigenen vier Wände auch etwas anderem als Viren begegnen könnten. Oder womöglich sogar jemand anderem. Das lassen sich auch Veranstalter:innen diverser Veranstaltungen nicht zweimal sagen und veranstalten munter drauflos. Uns gibt das einen willkommenen Anlass, um den Mehrsinne Mittwoch der Frage zu widmen, was wir in puncto Barrierefreiheit gerne beachtet wüssten.

              Wenn Sie jetzt kurz davor sind, den Artikel weg zu legen, weil Ihnen schwant, dass das endlos werden könnte, haben wir zweit gute Nachrichten für Sie: Erstens werden wir uns nicht mit Klassikern wie Rampen, Türbreiten oder barrierefreien WCs befassen. Die sind zwar ausgesprochen wichtig, erscheinen aber sowieso vor dem geistigen Auge all jener, denen der Begriff „Barrierefreiheit“ schon irgendwann irgendwo untergekommen ist. Zweitens haben wir ganz vieles schon ausgelagert. Fast alles, das Sie am Digitalen Dienstag im April zum Thema virtuelle Meetings lesen konnten, gilt sinngemäß für „echte“ Treffen genauso. Kurzum, was uns heute interessiert, sind Aspekte, die nicht schon genügend kluge Köpfe in zahlreichen wertvollen Broschüren festgehalten haben. Wer weiß, vielleicht brauchen wir sogar genau Sie und Ihren klugen Kopf, um überhaupt erst herauszufinden, worauf es wirklich ankommt. Aber dazu später.

              Zuerst ein paar Basics

              Ja, ich weiß, gerade habe ich Ihnen versprochen, dass wir auf schon mehrfach Durchgekautes heute pfeifen. Eine kleine Einleitung kann aber doch nicht schaden, oder? Bauen wir also auf dem auf, was wir schon haben. Was die grundsätzliche Herangehensweise betrifft, kann man sich von den Tipps für barrierefreie Videokonferenzen wirklich einiges auch für physische Veranstaltungen mitnehmen – von der Barrierefreiheit der verschiedensten Dokumente und Informationen bis hin zur Gestaltung von Vortrag und Moderation. Den allerheißesten darunter kann und will ich Ihnen gerade am Mehrsinne Mittwoch nicht vorenthalten: Denken Sie groß! Wenn ich „groß“ sage, meine ich „universell“. Und wenn ich „universell“ sage, meine ich „inklusiv“.

              Was sollen Sie nun groß denken – den finanziellen Rahmen vielleicht oder die öffentliche Wirkung? Nein, Ihre Zielgruppe! Natürlich geht es dabei nicht zuletzt darum, dass Menschen mit verschiedensten individuellen Voraussetzungen – zum Beispiel auch einer Behinderung – motiviert in Ihre Veranstaltung hinein und zufrieden wieder hinaus gehen können. Das werden sie aber ganz besonders dann tun, wenn nicht der Eindruck entsteht, es würde für einzelne ein extra Aufwand betrieben. Wenn alles von Haus aus so gestaltet und organisiert ist, dass sich alle Teilnehmenden gut aufgehoben fühlen und sicher agieren können, ist das eine hervorragende Grundlage für eine gelungene Veranstaltung.

              Durch und durch durchdacht

              Was gilt es nun zusätzlich zu bedenken, wenn der Schritt hinaus aus der virtuellen in die große weite physische Welt gewagt wird? Eines liegt auf der Hand: Es geht hier wohl hauptsächlich um Aspekte, die mit Räumlichkeiten zu tun haben. Für blinde und sehbehinderte Menschen kann man die Maßnahmen, auf die es hier ankommt, im Wesentlichen mit zwei Überbegriffen zusammenfassen: Orientierung und Sicherheit. Dabei darf man nicht vergessen, dass Orientierung ganz oft eine Voraussetzung für Sicherheit ist. Man ist gut beraten, bereits bei der Auswahl des Veranstaltungsortes nicht nur auf die gute alte stufenlose Zugänglichkeit zu achten, sondern auch darauf, dass bestimmte bauliche und gestalterische Voraussetzungen gegeben sind – Stichwort Beleuchtung, Kontraste, Orientierungssystem, Gefahrenbereichsabsicherung etc. So finden sich mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Teilnehmenden gut zurecht und Ihre Veranstaltung wird auch nicht von der Sorge um Verletzte dominiert.

              Auch die Anreisemöglichkeiten sollten bei der Auswahl des Veranstaltungsortes mit bedacht werden. Optimal ist die Auswahl eines Ortes, der gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist. Sämtliche Angebote, um die Anreise zu erleichtern, sollten Sie allen Teilnehmenden zur Verfügung stellen – auch, wenn Sie bei der Idee dazu vielleicht in erster Linie z.B. blinde Menschen im Hinterkopf hatten. Von einer verlässlichen Wegbeschreibung oder auch der Möglichkeit, sich von einem bestimmten Punkt abholen zu lassen, wenn die Straßenbahn nicht direkt vor dem Hauseingang hält, profitiert im Zweifelsfall jede:r. Auch zum Beispiel eine Beschreibung der Situation vor Ort – räumlich, aber auch organisatorisch – gehört zu dieser Art von Informationen, die bereits im Vorfeld gegeben werden können, für alle Teilnehmenden sehr hilfreich sind und auf jeden Fall viel Sicherheit geben.

              Ankommen, Pause und sonstige Zerstreuungen

              Ist die Anreise dann geschafft, sind wir bereits mitten drin in einer der Situationen, die physische Veranstaltungen ganz wesentlich von virtuellen unterscheiden, und die für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen eine Barriere darstellt, die sich noch nicht so sehr herumgesprochen haben dürfte. Dabei ist es eigentlich etwas, womit jeder und jede bis zu einem gewissen Grad konfrontiert ist: die Orientierungslosigkeit in einer neuen Umgebung mit unbekannten Menschen. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich persönlich bin da extrem dankbar, wenn für einen persönlichen Empfang mit ein paar orientierenden Worten gesorgt ist, damit ich weiß, wohin ich muss und was ich dort tun soll. In diesem Rahmen lässt sich zum Beispiel sehr elegant das Angebot einer Begleitung zum Sitzungssaal oder ähnlichem unterbringen.

              Wir begegnen dieser Situation aber nicht nur beim Ankommen, sondern auch zum Beispiel in Pausen, in denen wir oft zumindest anfänglich einmal etwas peinlich berührt in der Gegend herumstehen. Menschen ohne Sehbehinderung haben mit etwas Glück in so einem Fall die Möglichkeit, sich ans Buffet zu begeben und dort vielleicht sogar schon beim Warten an der Kaffeemaschine mit jemandem ins Gespräch zu kommen. Gibt es kein Buffet, aber dafür vielleicht eine Person, mit der man sich gerne unterhalten würde, hat man gute Chancen, sie im Pausenraum zu erspähen und auf sie zuzugehen. Menschen, die nicht gut genug sehen, um sich an einem Buffet bedienen oder andere Personen in einer Menschenmenge finden zu können, sind in solchen unmoderierten Situationen extrem benachteiligt.

              Gleichgestelltes (nicht) Netzwerken

              Beim Plaudern über die Zufriedenheit mit der weiten Verbreitung von virtuellen Veranstaltungen berichten die meisten fast ausschließlich über Vorteile – mit einer Ausnahme: die gemeinsamen Pausen fallen weg. Und damit all die sozialen Kontakte, die geknüpft, die Vieraugengespräche, die geführt, und die Knöpfe, die dabei gelöst werden. Versuche, Teilnehmende in virtuelle Pausenräume zu stecken, scheitern meist. Es fehlt wohl die Atmosphäre, die es für ein Pausengespräch braucht. Etwas Gutes hat das Ganze aber bei aller Nachteiligkeit: Sie betrifft alle, ganz egal, wie gut oder schlecht sie sehen. Wenn wir aber nach und nach wieder zurück in nicht virtuelle Umgebungen wandern, sollten wir uns damit auseinandersetzen, wie wir dort dafür sorgen können, dass der große Vorteil der Netzwerkmöglichkeiten für alle zum Tragen kommt.

              Lassen Sie uns reden!

              Ein paar Gedanken dazu, wie Veranstalter:innen ihre Gäste gezielt unterstützen könnten, aufeinander zuzugehen und miteinander ins Gespräch zu kommen, haben wir uns in der Kompetenzstelle für Barrierefreiheit bereits gemacht. Wenn man nur daran denkt, lässt sich einiges machen – von der Ice-Breaker Aktion am Anfang einer Veranstaltung zum Kennenlernen über organisatorische Maßnahmen, um beispielsweise auf Referent:innen gezielt zugehen zu können, bis hin zu sogenannten Event-Apps. All diesen Maßnahmen ist gemeinsam, dass sie die Kommunikationsmöglichkeiten für alle Teilnehmenden und damit die Qualität der Veranstaltung als Ganzes verbessern. Dass sie auch für die Zugänglichkeit der Veranstaltung in ihrem vollen Umfang sorgen können, steigert ihre Bedeutung deutlich.

              Doch wie gesagt: Dass die Einschränkung beim Vernetzten für viele Menschen eine solche Hürde im Rahmen von Veranstaltungen ist, ist wenigen bekannt. Wie geht es Ihnen mit solchen und anderen Hürden bei Veranstaltungen? Was stört Sie besonders? Was würde Ihnen helfen? Von welchen Lösungen sind Sie begeistert? Wir freuen uns, wenn Sie Ihre Erfahrungen und Anregungen mit uns teilen und mithelfen, Veranstalter:innen zu sinnvollen Maßnahmen zu motivieren! Bitte melden Sie sich dazu bei Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at

              Mehrsinne Mittwoch März 2022

                Namensgebendes Prinzip: Der Sinn hinter „Mehr-Sinne“

                Wenn Sie bei „Mehrsinne Mittwoch“ neugierig werden, was sich das Wellnesshotel Ihres Vertrauens da für ein feines Spezialprogramm hat einfallen lassen, müssen wir Sie leider enttäuschen. Oder auch nicht, denn hinter dem Namensgeber unserer neuen Rubrik im BSVÖ Newsletter steckt etwas, das weit mehr als vorübergehende Entspannung bringt: langfristige Inklusion. Warum das so ist, erklärt der heutige erste Beitrag, dem viele weitere folgen sollen.

                Seit bald einem Jahr haben wir uns angewöhnt, im Rahmen des „Digitalen Dienstag“ einmal im Monat über ein Thema rund um die Zugänglichkeit digitaler Angebote zu berichten. Der digitale Bereich ist zwar ein wichtiger, aber eben nur einer von vielen Teilbereichen der Barrierefreiheit. Deshalb haben wir beschlossen, uns in einer weiteren Reihe den restlichen Aspekten zu widmen. Der „Mehrsinne Mittwoch“ wird ab sofort am vierten Mittwoch jedes Monats erscheinen und sich mit verschiedensten Themen im Zusammenhang mit Barrierefreiheit beschäftigen, von denen wir glauben, dass sie für Sie in Ihrem täglichen Leben nützlich sein könnten.

                Wer steckt dahinter?

                „Wir“, das ist in diesem Fall der BSVÖ mit seiner Kompetenzstelle für Barrierefreiheit, die Sie vielleicht noch unter ihrem alten Namen „Referat für barrierefreies Bauen“ kennen. Auch der „Digitale Dienstag“ kommt aus derselben Feder, nämlich der von Doris Ossberger, die die Kompetenzstelle leitet. Das Team dahinter ist aber ein etwas anderes: Der BSVÖ hat in ganz Österreich Expertinnen und Experten, die alle selbst eine Sehbehinderung haben oder blind sind und aus ihrer Beratungspraxis und Zusammenarbeit über langjähriges Wissen verfügen, wenn es um barrierefreie Mobilität und Infrastruktur geht. Sie arbeiten im sogenannten Gremium für Mobilität und Infrastruktur (GMI) zusammen, das von Frau Ossberger koordiniert wird. Teil des Teams sind beispielsweise auch Orientierungs- und Mobilitätstrainer:innen. Diese Zusammensetzung ist eine optimale Basis, um Problemstellungen direkt aus der Praxis aufzugreifen, einheitliche Positionen dazu abzustimmen und diese dann wiederum bei verschiedensten Gelegenheiten in ganz Österreich an den Mann, die Frau und auch alle anderen zu bringen.

                Altbewährtes Wissen in neuem Format

                Im Laufe der letzten zehn Jahre hatten wir Gelegenheit, unzählige Themen gemeinsam zu bearbeiten, und die dürften uns auch in den nächsten zehn Jahren nicht ausgehen. Leider wissen nur relativ wenige von den Ergebnissen dieser Arbeit oder kennen uns als Ansprechpartner:innen. Das ist schade, denn dadurch ist der Kreis derer, die davon profitieren, kleiner als er sein könnte. Außerdem ist es schwieriger herauszufinden, was für unsere Zielgruppe am wichtigsten ist und wofür wir uns daher besonders einsetzen sollen.

                Mit dem „Mehrsinne Mittwoch“ starten wir einen Versuch, in beiden Bereichen Verbesserungen zu schaffen: Einerseits möchten wir Ihnen interessante Informationen, die aus unserer Arbeit hervorgehen, weitergeben. Andererseits wollen wir Ihnen eine Gelegenheit geben, mit uns in Kontakt zu treten und unser „Programm“ angepasst an das, was Ihnen wichtig ist, mitzugestalten.

                Was steckt dahinter?

                Was hat es aber nun mit den „mehr Sinnen“ auf sich? Ob es nun die gebaute Umgebung, Geräte und andere Produkte, verschiedenste Informationsmedien, die Gestaltung von Dienstleistungen oder auch einfach den sozialen Umgang miteinander betrifft: damit alle Menschen diese Angebote gleichermaßen nutzen bzw. daran teilhaben können, ist es von unglaublich großer Bedeutung, dass alles, was man dafür wahrnehmen können muss, mit mehr als nur einem Sinn wahrgenommen werden kann. Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht: Hörbares muss auch sichtbar sein, Sichtbares auch hör- oder tastbar und am besten ist es überhaupt, wenn etwas gleichzeitig sicht-, hör- und tastbar ist. Immer noch zu abstrakt? Versuchen wir es mit ein paar Beispielen.

                Aus dem Alltag gegriffen

                Starten wir doch mit etwas für uns alle ganz Vertrautem: der alltäglichen Kommunikation. Nehmen wir an, Sie treffen sich mit einer guten Freundin und wollen sie begrüßen. Da gibt es ja so einige bekannte Rituale, die uns in Pandemiezeiten teilweise nicht einmal mehr so vertraut sind. Schauen wir uns aber den Schritt davor an, den Moment, in dem Sie Ihre Freundin darauf aufmerksam machen wollen, dass Sie da sind. Wie Sie das machen, hängt natürlich zum Teil von Ihren persönlichen Gewohnheiten und Vorlieben ab. Wahrscheinlich wird es irgendeine Kombination aus Winken, Lächeln, „Hallo“ Sagen und vielleicht noch einer dezenten Berührung an einem unverfänglichen Körperteil sein. Je nachdem, wie die konkrete Situation aussieht, werden Sie eine oder mehrere dieser Gesten ganz automatisch verstärkt einsetzen.

                Treffen Sie Ihre Freundin an einer Stelle, wo nebst ohrenbetäubendem Baustellenlärm gerade im Minutentakt Züge an- und abfahren, dann werden Sie vermutlich darauf achten, sich in ihr unmittelbares Blickfeld zu begeben und während Sie auf sie zugehen besonders eindrücklich zu lächeln und zu fuchteln … äh … winken, damit sie Sie bemerkt und sich nicht trotz Ihrer verbalen Begrüßungsversuche überfallen fühlt. Ist die Umgebung ruhig, aber Ihre Freundin erwartet Sie mit einem konzentrierten Blick in die Richtung, aus der Sie ganz genau nicht kommen, werden Sie intuitiv vielleicht hauptsächlich darauf setzen, sie durch ein glockenhelles „Ja grüß‘ Dich, meine Freundin, wie schön Dich zu sehen!“ dazu zu bewegen, sich umzudrehen – es sei denn das Klappern Ihrer Stöckelschuhe, das Quietschen Ihrer Turnschuhe oder das Schlapfen Ihrer Schlapfen hat schon schneller dazu geführt. Kombinieren wir die weggedrehte Freundin mit der geräuschvollen Umgebung, dann könnte es sein, dass Sie auch, wenn Sie normalerweise darauf verzichten, Ihrer Freundin vielleicht vorsichtig auf die Schulter tippen, anstatt eine Runde um sie herum zu gehen und Ihr Gesicht unmittelbar vor dem ihren zu platzieren.

                Dann könnte es natürlich auch sein, dass Ihre Freundin in einer ganz ruhigen Umgebung auf Sie wartet und Sie genau aus der Richtung erwartet, aus der Sie kommen, aber nicht gut hört. Oder sie sieht nicht gut. Oder sie sieht und hört nicht gut. Oder sie sieht nicht gut und die Arbeiter:innen auf der benachbarten Baustelle nehmen gerade ihre lautstarke Arbeit wieder auf. All das sind Situationen, in denen Sie ganz selbstverständlich und ohne viel nachzudenken das sogenannte Mehr-Sinne-Prinzip anwenden.

                Die Kurve zu Barrierefreiheit

                Jetzt werden Sie sich vielleicht denken: „Für wen hält die sich eigentlich, dass sie mir erklärt, wie ich meine Freundin begrüßen soll?“ Gleichzeitig ahnen Sie bestimmt schon, dass ich darauf gar nicht hinaus wollte. Aber Sie haben schon Recht, eigentlich wollte ich Ihnen ja etwas über Barrierefreiheit erzählen und darüber, was das Mehr-Sinne-Prinzip damit zu tun hat. Versuchen wir also diese Kurve zu kratzen.

                Eines meiner Lieblingsbeispiele aus dem Bereich Mobilität sind Ampeln. Traditionellerweise sind die ja mit ihren sogenannten „Lichtsignalen“ – also dem roten und grünen Licht, das „Stehen“ und „Gehen“ signalisiert – etwas nur Sichtbares. Ein paar schlaue Köpfe haben sich vor geraumer Zeit überlegt, wie man diese sichtbaren Signale auch hörbar machen kann. Bei uns wird das meistens als langsames und schnelles Klopfen oder „Tackern“ umgesetzt. Damit hätten wir schon einmal ein „Zwei-Sinne-Prinzip“ erfüllt. Diesen Begriff werden Sie übrigens auch hin und wieder lesen und er bedeutet im Grunde genau dasselbe wie das „Mehr-Sinne-Prinzip“: dass Informationen und Signale mit zwei oder mehr einander ergänzenden Sinnen wahrnehmbar sind. Ampeln – wenn sie richtig barrierefrei ausgeführt sind – gehen darüber aber hinaus. Ihre Signale können nämlich auch ertastet werden. Legt man den Finger auf die Unterseite des sogenannten „Anmeldetableaus“, das meist am Ampelmast angebracht ist, spürt man einen erhabenen Pfeil, der in die Richtung zeigt, in die die Fahrbahn gequert wird. Die Grünphase der Ampel – also das „Gehen“ – wird angezeigt, indem dieser Pfeil vibriert.

                Diese Ausstattung von Ampeln nach dem Mehr-Sinne-Prinzip wird nach wie vor oft als „Hilfssignal für blinde Menschen“ oder gar als „Blindenakustik“ bezeichnet. Und es stimmt natürlich, dass sie für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen ganz besonders wichtig ist, um ohne fremde Hilfe sicher unterwegs sein zu können. Dennoch, wenn man genauer hin schaut … oder hin hört … oder hinein fühlt, kann man ganz viele Situationen entdecken, in denen auch Menschen, die unter optimalen Umgebungsverhältnissen die rote und grüne Ampel ganz gut sehen können, von den hör- und tastbaren Signalen profitieren, wenn sie nur wissen, dass es sie gibt. Denn sind wir uns ehrlich: gerade die Orientierung im Straßenverkehr ist für die größten Adleraugen unter uns keine rein visuelle Sache und ganz ohne akustische Eindrücke fehlen uns wesentliche Informationen, die wichtig sind, damit wir sicher unterwegs sein können. Wir könnten die Ampeln also auch einfach „Ampeln“ nennen und uns daran gewöhnen, dass sicht-, hör- und tastbare Signale gleichermaßen zu einer Ampel gehören und nichts davon eine Spezialausstattung für irgendjemanden ist.

                Auf den Punkt gebracht: universelles Design und Inklusion

                Und das ist das Wunderschöne am Mehr-Sinne-Prinzip: es ist eigentlich etwas ganz Selbstverständliches, das wir alle in vollkommen alltäglichen Situationen ständig anwenden. Wird es bewusst verinnerlicht und dort, wo es noch nicht so selbstverständlich ist, umgesetzt, schaffen wir Umgebungen, Produkte, Dienstleistungen und vieles mehr, die für alle besser nutzbar sind und beziehen dabei in dieses „alle“ Menschen mit Behinderungen ohne viel Tamtam mit ein. Das ist universelles Design, wie es im Buche – namentlich dem Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen – steht. Das ist der Weg, auf dem gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe, die Inklusion, erreicht werden kann. Nichts Geringeres streben wir mit unserer Arbeit an. Und genau deshalb stellen wir unsere Rubrik zum Thema Barrierefreiheit unter dieses großartige Motto, das für weit mehr als „nur“ Wohlbefinden sorgen kann – aber nicht zuletzt auch dafür.

                Helfen Sie uns beim Maßschneidern!

                Dass wir diese Rubrik ins Leben gerufen haben, hat einen wesentlichen Grund: Wir wollen Ihnen Informationen bieten, die Sie interessieren, die Sie in Ihrem Alltag brauchen können. Bis zu einem gewissen Grad können wir aufgrund unserer Erfahrung erahnen, was das sein könnte. Und wir hoffen natürlich, dass zumindest hier und da für jeden und jede von Ihnen etwas dabei ist. Am liebsten wäre es uns aber, wenn wir ganz gezielt auf das eingehen könnten, das für Sie nützlich ist. Also: Wenn es ein Thema gibt, zu dem Sie gerne Informationen hätten, melden Sie sich jederzeit gerne bei Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at – vielleicht lesen Sie ja schon demnächst im „Mehrsinne Mittwoch“ darüber!