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Mehrsinne Mittwoch Oktober 2022

    Sich wie zu Hause fühlen: Was ein Hotel barrierefrei macht

    Ganz egal ob im Urlaub oder geschäftlich: das Reisen ist wieder im Kommen. Auf der Suche nach einer geeigneten Unterkunft spielt die Frage, wie gut man sich ohne Hilfe zurechtfindet, eine wichtige Rolle.

    Wenn Sie bei einem Hotel nach der Barrierefreiheit fragen, wird man Ihnen möglicherweise stolz das „rollstuhlgerechte“ Zimmer präsentieren. Mit etwas Glück ist sogar der Weg zu diesem Zimmer stufenlos bzw. mit einem Aufzug erreichbar. Das alleine ist schon für all jene nicht das höchste der Gefühle, für die die Selbständigkeit im Urlaub oder auf einer Geschäftsreise maßgeblich davon abhängt, ob das Hotel mit all seinen Angeboten mit dem Rollstuhl zugänglich ist. Dass es für Gäste, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben, noch ganz andere Dinge zu bedenken gibt, ist noch weniger bekannt – dabei können viele dieser Voraussetzungen ohne großen Aufwand geschaffen werden!

    Bewährte Barrierefreiheitsgrundsätze

    Ganz allgemein ist es natürlich alles andere als ein Fehler, sich schon beim Bau eines Hotels an bestimmte Prinzipien zu halten, die bekannter Weise die Zugänglichkeit und Nutzbarkeit für blinde und sehbehinderte Menschen ermöglichen. Welche genau das sind, ist für Planende in diversen Normen schön und umfassend beschrieben. Im Wesentlichen gilt es, vier Aspekte zu beachten: Erstens sollte man auf das Errichten von Barrieren tunlichst verzichten – no-na – und sich durchwegs vom Mehrsinne-Prinzip begleiten lassen. Zweitens sollten gut sichtbare Raumstrukturen und -elemente gemeinsam mit ergänzenden visuellen Informationen die sehende Orientierung bestmöglich unterstützen. Dasselbe gilt drittens für die taktile Orientierung, die entlang durchgehender tastbarer Orientierungslinien aus Raumstrukturen und -elementen, taktilen Bodeninformationen und mit der Hand tastbaren Informationen möglich sein soll. Und zu guter Letzt ist es sehr wichtig Gefahrenstellen effektiv abzusichern bzw. zu markieren. Das heißt, dass zum Beispiel Hindernisse in Kopf- und Brusthöhe baulich abgesichert, Stufen und transparente Wände gut sichtbar markiert und Treppenabgänge durch ein taktiles Aufmerksamkeitsfeld angekündigt werden.

    „Temporäres Zuhause“ als Herausforderung

    Wenn Sie Hotelgast sind, werden Sie in den meisten Fällen zumindest zunächst kaum bis gar nicht mit der Umgebung vertraut sein. Für die Dauer Ihres Aufenthaltes haben Sie höchstwahrscheinlich dennoch den Anspruch, nicht für jeden Schritt oder Handgriff Unterstützung anfordern zu müssen. Das Hotel muss daher den Spagat schaffen, grundsätzlich allen Gästen eine selbständige Orientierung zu ermöglichen, aber in entscheidenden Situationen dafür zu sorgen, dass gezielte Unterstützung selbstverständlich und niederschwellig bereitgestellt wird. Gelingen kann das durch eine Kombination aus barrierefreier Gestaltung und einem gut durchdachten Serviceangebot.

    Ankommen

    Zunächst einmal müssen Eingang und Rezeption gut zu finden sein. Dafür braucht es eine gut sicht- und tastbare Führung zum Eingang und zum besetzten Empfangsbereich. Eine Führungslinie, die beides in einem bietet, kann gut mit taktilen Bodeninformationen hergestellt werden, aber auch zum Beispiel mit einem Teppichläufer, der sich in Material und Farbe gut von der Umgebung unterscheidet. Führt man diese Linie weiter zum Beispiel zum Aufzug und zum Restaurant, erleichtert man den Gästen damit die Orientierung während des gesamten Aufenthalts und sie finden auch den Ausgang von verschiedenen Punkten im Gebäude aus besser alleine. Indem Eingangsbereich und Rezeption möglichst auffallend gestaltet werden, kann man sie leichter finden und erkennen.

    Der Empfang ist die erste Situation, in der die Möglichkeit besteht, über das Unterstützungsangebot zu informieren und es bei Bedarf auch gleich in Anspruch zu nehmen. Beim Einchecken bekommen Gäste üblicherweise diverse Standardinformationen zum Hotel: Wo ist das Zimmer? Wann und wo gibt es Frühstück/Mittagessen/Abendessen? Wie kann man vom Zimmer aus mit der Rezeption Kontakt aufnehmen? Etc. Das bietet eine gute Gelegenheit, auch je nach Wunsch eine kurze Führung durch das Hotel mit den wichtigsten Orientierungspunkten, die Begleitung zum Zimmer, eine Erklärung zur Steckrichtung der Schlüsselkarte, eine Anleitung zur Nutzung z.B. des Telefons im Zimmer etc. anzubieten. Außerdem kann auf weitere Informationsmöglichkeiten hingewiesen werden (Kurzwahltaste zur Rezeption, Informationsbroschüren und Bedienungsanleitungen in Braille und Großdruck etc.).

    Gut zu wissen ist übrigens auch, dass Blindenführhunden laut Gesetz überall Zutritt gewährt werden muss – unabhängig davon, ob Tiere ansonsten erlaubt sind oder nicht.

    Zurechtfinden und Wohnen

    Wenn Sie als Gast in einem Hotel ankommen, werden Sie sich wahrscheinlich zunächst einmal mit den Räumlichkeiten vertraut machen – entweder alleine oder bei Bedarf mit Unterstützung. Damit sich alle Gäste im Hotel und besonders auch im eigenen Zimmer sicher bewegen können, ist es besonders wichtig, dass Hindernisse vermieden und Gefahrenstellen abgesichert werden.

    Die barrierefreie Ausstattung der Aufzüge ist auch ansonsten ein sehr wichtiges Thema. Für blinde und sehbehinderte Menschen bedeutet das unter anderem, dass sowohl die Rufknöpfe als auch die Knöpfe im Inneren des Aufzugs einen Druckpunkt aufweisen, der es spürbar macht, wenn man sie betätigt hat, und tastbar sowie gut kontrastierend beschriftet sind. Eine hörbare Stockwerkansage in der Liftkabine ist wichtig, um zu erkennen, wenn man das gewünschte Stockwerk erreicht hat. Außerdem hilft z.B. eine taktile Auffanglinie am Boden im Bereich der Aufzugstür (Ruftaste) in jedem Stockwerk, den Lift zu finden.

    Essen und Trinken

    Besonders das Frühstück wird in Hotels sehr oft als Buffet gestaltet. Insbesondere für blinde Menschen ist die Selbstbedienung bei einem solchen Buffet extrem schwer bis unmöglich. Daher sollte das Hotel unbedingt wahlweise die Assistenz oder Bedienung durch das Personal anbieten – und zwar von Haus aus, ohne dass sie kompliziert angefordert werden muss.

    Wenn es eine Speisekarte gibt, sollte diese auch in Großdruck sowie in Braille angeboten werden, damit sehbehinderte und blinde Menschen selbst aus dem Angebot wählen können. Ist eine solche Speisekarte nicht verfügbar, so sollte das Vorlesen der Karte durch das Personal möglich sein. Übrigens: Für alle, die ein Smartphone nutzen, ist auch eine Speisekarte in Form eines QR Codes eine praktische Lösung. Was es dabei zu beachten gilt, können Sie in unserem Beitrag zum Digitalen Dienstag von August 2021 unter folgendem Link nachlesen: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/1199/BSVOe-Digitaler-Dienstag-Appetit-auf-Inklusion-Gasthausbesuche-QR-Codes-und-Barrierefreies-zum-Lesen

    Ausnahmesituation Evakuierung

    Barrierefreie Evakuierung ist ein umfangreiches Thema, das im Rahmen des Evakuierungskonzeptes durchdacht werden muss. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist das Flüchten ohne Unterstützung besonders in einer nicht vertrauten Umgebung extrem schwierig. Bei Hotels bietet es sich an, in allen Zimmern ein Schild bereitzustellen, das jene Gäste, die im Evakuierungsfall auf Unterstützung angewiesen sind, außen an die Türe hängen können. Auf diese Weise können die Evakuierungshelfer auf den ersten Blick erkennen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Selbstverständlich müssen blinde und sehbehinderte Menschen darüber informiert werden, dass es dieses Schild gibt und wo sie es finden, damit sie es auch nutzen können.

    Kontakt

    Welche Erfahrungen haben Sie mit der Barrierefreiheit von Hotels und anderen Unterkünften gemacht? Sind Sie mit unserer Zusammenstellung von Dingen, die es braucht, einverstanden? Haben wir auf etwas Wesentliches vergessen oder fordern wir gar an einzelnen Stellen zu viel des Guten? Ihre Meinung interessiert uns! Teilen Sie sie gerne mit uns in einer E-Mail an Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at