Ein Kinderspiel: Barrierefreiheit am Spielplatz
Am Spielplatz tummeln sich alle möglichen Menschen: von klein bis groß, von jung bis alt. Sie liegen, sitzen, kriechen, krabbeln, gehen, laufen, springen, klettern, schaukeln, rutschen, spüren, hören, sehen, riechen, plaudern, planen, weinen, lachen, lernen, leben – und noch viel mehr. Und das Ganze barrierefrei?
Endlich ist der Sommer da. Vorbei sind die nicht enden wollenden Nachmittage, an denen Kinder ihre Eltern vor die Wahl zwischen Fernseh-Marathon und Quengeln um den Fernseh-Marathon gestellt haben. Es geht hinaus in die Natur! Vor allem in der Stadt heißt das oft: raus auf den Spielplatz. Dort lassen sich zwei, drei Stunden Zeit locker totschlagen und alle sind glücklich. Außer der Zeit sollte dabei aber niemand zu Schaden kommen. Auch, dass man den Spielplatz und womöglich sogar das eine oder andere Spielgerät findet, ist für das perfekte Spielplatzerlebnis von Vorteil. Aber sich frei austoben, eigene Fähigkeiten erforschen, gewachsene Landschaft entdecken: Kann man das mit Sicherheit und Zugänglichkeit für alle überhaupt unter einen Hut bringen?
Stichwort Zugang
Es ist immer dasselbe: Wenn Sie etwas nutzen möchten, müssen Sie es zuerst einmal finden. Wie so oft ist das Erste, das Sie finden müssen, auch beim Spielplatz der Eingang. Was braucht es dafür? Auch wie immer: Gut sichtbar muss er sein. Das gute alte graue Eisengitter-Tor mit grauem Eisen-Türdrücker im grauen Eisengitter-Zaun ist da eventuell nicht so ganz die Methode der Wahl. Schon ein einfacher Farbanstrich hilft allen, den Spielplatz zielstrebig anzusteuern, und wirkt auch gleich viel einladender. Auch darüber hinaus sind der Kreativität beim auffälligen Gestalten des Eingangs keine Grenzen gesetzt. Außer natürlich, es entstehen dadurch Hindernisse. Ein Tipp am Rande: Der Kontrast macht’s aus. Wenn also ein Anstrich Ton in Ton mit den Blättern der umgebenden Hecke geplant ist, sollte man die Entscheidung vielleicht noch einmal überdenken, bevor man sie in die Tat umsetzt.
Sichtbar ist gut, aber nicht genug. Das sagt uns das Mehrsinne-Prinzip. Für die richtungsweisende Akustik sorgt ein gut besuchter Spielplatz wahrscheinlich ganz gut von selbst. Um den Eingang genau zu treffen, braucht es aber schon ein bisschen mehr. Am besten etwas Tastbares: zum Beispiel einen gut abgegrenzten Weg, der direkt zum Eingangstor führt, oder eine leichte Nische im Eingangsbereich, die den Verlauf des Zauns deutlich unterbricht.
Geschützter Freiraum
Sie sind drin. Und was nun? Jetzt geht es mit dem Suchen erst so richtig los. Im Idealfall möglichst schnell auch mit dem Finden. Wie man die Voraussetzungen dafür schafft, hängt natürlich sehr stark davon ab, wie der Spielplatz angelegt ist. Was die Sichtbarkeit betrifft gibt es bei Spielplätzen einen Vorteil: Die Angst vor Farbe ist hier meistens nicht so groß wie sonst. Damit kann man arbeiten und das sollte man auch. Wer auf gute Kontraste bei Spielgeräten, aber auch Sitzgelegenheiten, WC-Anlagen und sogar Wegen achtet, unterstützt damit die Orientierung am Spielplatz enorm.
Dass alles gut sichtbar ist, hilft nicht nur dabei, sich zurecht zu finden. Es trägt auch zur Sicherheit bei. Denn wenn Sie alles, woran Sie sich anhauen, worüber Sie stolpern oder worin Sie sich verfangen könnten, gut sehen, können Sie rechtzeitig reagieren und es passiert nichts.
Am allerbesten ist es natürlich, Hindernisse und Stolperfallen überhaupt zu vermeiden. Das hilft nicht nur allen, die sie trotz guter Kontraste nicht sehen können, sondern auch allen, die zum Beispiel einmal ein bisschen flotter und mit den Augen für einen Moment wo anders unterwegs sind. Soll bei den typischen Spielplatz-Nutzer:innen ja durchaus vorkommen.
Aber gerade, wenn das Ziel ist, interessante Spielumgebungen zum Erkunden zu schaffen und Kindern Herausforderungen zum Weiterentwickeln ihrer Fähigkeiten zu bieten, kann es passieren, dass das eine oder andere Element für manche Menschen zum Hindernis wird. Bestimmte Spielgeräte lassen sich auch nicht so absichern, dass jegliche Gefahr gebannt ist. Denken Sie zum Beispiel an eine Schaukel, die nun einmal durch die Luft fliegen muss, wenn sie ihren Zweck erfüllen soll. Für solche Fälle ist es gut, zumindest zwischen den Spielbereichen Wege oder Flächen zu schaffen, die garantiert frei von solchen Hindernissen und Gefahren sind.
Möglichkeiten für alle
Beim Gestalten von Spielplätzen geht in erster Linie darum, Kindern Möglichkeiten zu bieten, ihre Fähigkeiten zu entdecken, weiterzuentwickeln und zu entfalten. Was sie daraus machen, liegt dann bei den Kindern selbst. Vielleicht denken Sie dabei zuerst an Fähigkeiten, die mit Bewegung zu tun haben. Das ist aber nur ein Teilbereich dessen, was es am Spielplatz zu erfahren und zu lernen gibt. Zum Beispiel gibt es viele verschiedene Sinneseindrücke, die man erleben und verarbeiten kann. Vor allem aber gibt es etwas, das niemand normgerecht zusammenschraubt und fix verbaut: Menschen, denen man auf verschiedenste Art begegnet.
Sie denken, das hat ja mit der Spielplatzgestaltung nichts zu tun? Ich denke, und wie es das hat! Damit Menschen einander begegnen können, müssen sie sich nämlich zuerst einmal treffen. Und das können sie nur, wenn die räumlichen Gegebenheiten es erlauben. Das ist überall anders auch so. Aber am Spielplatz ist es vielleicht noch wichtiger, denn die Erfahrungen, die die Kinder hier machen, prägen sie für den Rest ihres Lebens. Wen ein Kind am Spielplatz trifft und was es mit diesen Menschen erlebt, ist entscheidend dafür, was ihm fremd wird, was es als selbstverständlich empfindet und wie es später mit Menschen umgeht.
Goldene Regeln
Das waren einmal ein paar Gedanken. Aber gibt es eigentlich auch offizielle Empfehlungen für die barrierefreie Gestaltung von Spielplätzen? Ja, gibt es. In Österreich gibt es zum Beispiel ein technisches Informationsblatt zu dem Thema, das die Wirtschaftskammer Österreich 2015 herausgegeben hat. Es baut auf den Vorgaben der ÖNORM B 1600 für barrierefreies Bauen auf. Auf europäischer Ebene gibt es zu dem Thema einen Abschnitt in der ÖNORM EN 17210, die Zielanforderungen für barrierefreies Bauen enthält und auch in Österreich gültig ist.
In beiden Dokumenten wird zunächst einmal betont, dass die barrierefreie Gestaltung sowohl für die Kinder, die den Spielplatz nutzen, wichtig ist, als auch für die Erwachsenen, die sie begleiten und beaufsichtigen. Daraus ergeben sich dann verschiedenste konkrete Empfehlungen. Unter anderem auch solche, die für Kinder und Erwachsene, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben, besonders wichtig sind. Also zum Beispiel eine kontrastreiche Gestaltung und tastbare Orientierungsmöglichkeiten.
Und was denken Sie?
Welche Erfahrungen haben Sie mit Spielplätzen gemacht? Kennen Sie vielleicht einen Spielplatz, wo etwas besonders gut gemacht wurde? Oder gibt es Dinge, die Sie am Spielplatz als besonders herausfordernd oder sogar gefährlich erleben? Was halten Sie für extrem wichtig bei der Gestaltung von Spielplätzen und worauf können Sie gerne verzichten? Egal, woher und aus welcher Perspektive Sie die Situation am Spielplatz mit geringem oder ohne Sehvermögen kennen: Bitte erzählen Sie mir etwas darüber in einer E-Mail an Doris Ossberger unter do@wortklaviatur.at!
Der Mehrsinne-Mittwoch sucht sich über den Sommer ein gut zugängliches schattiges Plätzchen zum Ausruhen. Ich freue mich, wenn Sie im September wieder rein lesen!