Das wollen Sie wissen: So bunt sind Ihre Perspektiven
Ist es für blinde Menschen wichtig zu wissen, wie die Menschen aussehen, mit denen sie es zu tun haben? Keine Sorge, Sie haben kein Déjà-vu. Ich wiederhole mich wirklich – oder auch nicht: Im November gab es die Frage, heute gibt es die Antworten.
Sie lesen richtig: nicht „Antwort“, sondern „Antworten“ – mehrere. Und die kommen nicht von mir, sondern von Ihnen. Auf den Artikel von November haben sich nämlich erstaunlich viele Leserinnen und Leser gemeldet, um mir ausführlich zu schildern, wie sie die Sache mit den Selbstbeschreibungen wahrnehmen. Die Erkenntnisse aus dieser wertvollen Sammlung von Sichtweisen möchte ich gerne mit Ihnen teilen.
Dankeschön an erster Stelle
Bevor ich irgendetwas anderes schreibe, bedanke ich mich heute ganz herzlich bei Ihnen. Dafür, dass Sie meine Artikel lesen. Dafür, dass Sie sich dazu Gedanken machen. Und dafür, dass Sie mich das durch Ihre Rückmeldungen immer wieder wissen lassen. Dass Sie sich die Zeit für all das nehmen, ist alles andere als selbstverständlich. Ebenso wenig, dass viele von Ihnen sehr offen über ziemlich Persönliches schreiben, um mir ihre Sicht der Dinge näher zu bringen. Dass Sie mir dieses Vertrauen entgegenbringen, ist ganz großartig. Also: vielen, vielen Dank!
Doch jetzt zur Sache
Weil die Rückmeldungen gerade bei diesem Thema oft viele persönliche Details enthalten, möchte ich besonders sorgsam damit umgehen und sie nicht ungefragt in die Welt posaunen. Das ist aber auch gar nicht nötig. Denn egal, auf welchen gedanklichen Wegen und vor welchem persönlichen Hintergrund – letztlich führen alle zu einem ähnlichen Schluss: Es gibt keine einheitliche Antwort, die für alle richtig ist.
Was es gibt, das ist ein Spektrum. Ein Spektrum, das sich erstreckt von „Ich möchte mir nicht indirekt sagen lassen, dass mein Bild von einer Person unzureichend ist, nur weil es den visuellen Anteil nicht enthält.“ über „Es stört mich nicht zu erfahren, wie eine Person aussieht, aber interessieren tut es mich auch nicht wirklich.“ bis hin zu „Ich finde es interessant zu wissen, wie eine Person aussieht, und in manchen Situationen hilft es mir sogar.“ Alles, was in diesem Spektrum vorkommt, ist gut nachvollziehbar. Teilweise ist es sogar so, dass ein und dieselbe Person die Sache unter verschiedenen Umständen ganz unterschiedlich sieht. Im speziellen Zusammenhang mit der Selbstbeschreibung von Vortragenden bei Veranstaltungen scheint vielen wichtiger als das Wissen über das Aussehen zu sein, dass die Person kompetent darin ist, worüber sie spricht. Und dass sie das so tut, dass man ihr auch ohne sie zu sehen gut folgen kann. Mit anderen Worten: dass die Präsentation der Inhalte barrierefrei ist.
Aber egal, welche persönlichen Sichtweisen sie beschreiben – eines haben alle Rückmeldungen gemeinsam: Sie stellen fest, dass es sicherlich unterschiedliche Ansichten gibt, und werten das nicht ab.
Offen für Individuelles
Das ist bemerkenswert. Und zwar deshalb, weil es – zumindest meiner Erfahrung nach – so überhaupt nicht üblich ist, es als selbstverständlich zu betrachten, dass Personen, die eine bestimmte Gemeinsamkeit haben, in anderen Punkten vollkommen verschieden sind. Mehr noch: Wenn man es doch einmal bemerkt, gesteht man ihnen das Recht darauf nicht zu. Und so kommt es dann zu Aussagen wie: „Warum sollen wir etwas für blinde Menschen barrierefrei machen, wenn sie sich nicht einmal einigen können, was sie wollen?“
Zugegeben, dass Menschen verschiedene persönliche Ansichten, Gewohnheiten, Vorlieben und vieles mehr haben, macht es nicht einfach, Umgebungen und Dinge so zu gestalten, dass alle gleich gut damit zurechtkommen und sich wohl fühlen. Der Punkt ist aber: Das ist ganz allgemein so und nicht nur bei Menschen, die zufällig die Eigenschaft gemeinsam haben, dass sie schlecht sehen. Oder fänden Sie es fair, sich mit allen anderen Menschen, die zum Beispiel eine ähnliche Haarfarbe wie Sie selbst haben, immer in allen Dingen einig sein zu müssen? Eben.
Was aus dem allen nicht hervorgeht, ist eine klare Vorgabe, wie man die Sache mit den Selbstbeschreibungen als Veranstalter:in lösen kann, sodass es für alle passt. Vielleicht liegt die Antwort darauf aber auch genau darin, die Erwartungshaltung abzulegen, dass es so eine für alle perfekte Lösung geben muss, und dadurch offen für Ideen zu werden, die Flexibilität dafür zulassen, dass wir eben nicht alle gleich sind.
Bleiben wir in Kontakt
Der Jahreswechsel bringt für meine Beiträge eine kleine Veränderung: Sie übersiedeln auf meine Webseite www.wortklaviatur.at. Vieles wird gleich bleiben: die Themen, mit denen ich mich beschäftige, die Kanäle, über die die Beiträge Sie erreichen, die Menschen, mit denen ich dabei zusammenarbeite – und natürlich die Motivation, die ich aus dem Dialog mit Ihnen schöpfe. Apropos: Noch habe ich mich nicht entschieden, welchen Namen der Blog auf meiner Webseite tragen soll. Möchten Sie mich vielleicht mit einer Idee unterstützen? Bis Mitte Jänner nehme ich Vorschläge gerne in einer Nachricht an Doris Ossberger unter do@wortklaviatur.at entgegen. Wie immer erreichen Sie mich unter dieser Adresse auch bei anderen Fragen oder Rückmeldungen – ich freue mich, von Ihnen zu lesen!